2.4. kein Seglerrevier

Die südliche Küste von Süditalien, also quasi die Sohle vom Stiefel, ist definitiv kein Revier für Segler. Die Küstenlinie ist völlig fade gerade, es gibt keine Buchten, und die wenigen segelbootgeeigneten Häfen liegen immer mindestens 5-7 Fahrstunden auseinander. Wenn man einen davon anläuft, wird man sehr erstaunt betrachtet. Wir haben seit einigen Tagen gerade einmal ein, zwei andere Segler gesehen. Die Siedlungen hoch oben am Berg schauen von Weitem ganz nett aus, sind aber für uns unerreichbar. Einzig der Hafen von Le Castella war für uns befahrbar und die alte Festungsanlage ist beeindruckend. Ganz in der Nähe liegt auch noch Legohausen, dort wachsen anscheinend die Steinchen in großen Mengen und werden zum Hausbau verwendet. Ein paar weitere Häfen, die im Küstenhanbuch beschrieben sind, existieren nicht mehr und sind völlig versandet.
Der weitere Plan ist: möglichst schnell die Strasse von Messina zu erreichen, und dort entscheiden, ob die Reise für das Winterlager nördlich an die westitalienische Küste weitergeht oder südlich nach Malta.

2.3. Das Ende der Adria

Das Städtchen Otranto liegt an der gleichnamigen Straße, wo die Adria im Süden endet und das Ionische Meer beginnt. Gleich gegenüber liegt Korfu. An sich nix Besonderes, würden wir nicht dort in der weiten Hafenbucht ankern, bei starkem Schwell, wildem Geschaukel und ans Boot donnernden Wellen. In dieser ungemütlichen Umgebung sammeln sich nachmittags plötzlich weit über 100 Boote um uns und nehmen an einer Bootsprozession mit Madonnenstatue durchs Hafenbecken teil. Volles Gedränge und Gehupe. Und wir mitten drin. Abends dann noch ein Freiluft-Klassik-Opernarienabend am 200 Meter entfernten Platz mit etwas mehr als Zimmerlautstärke. Und wir fast mitten drin. Um Mitternacht folgt noch ein Feuerwerk von der Hauptmole aus. Ein Kreuzfahrschiff hat dafür extra ablegen und vor dem Hafen ankern müssen. Nicht ein paar Raketlein wie vom Kindergeburtstag, sondern richtig fette Dinger mit ordentlich Bums. Und wir wieder mitten drin. Wellengang, Madonnenumzug, Opernarien und Feuerwerk. Kein Schlaf. Aber ein würdiger Abschied von der Adria. Ich glaube eigentlich, die haben’s extra für uns organisiert.
Am nächsten Morgen starten wir unausgeschlafen die letzte Etappe nach San Maria de Leuca, der wirklich letzte Zipfel am Stiefelabsatz. Bei gutem Wetter wollen wir von hier aus die 70 Meilen quer über den Golf von Taranto in einem Stück über Nacht packen. Eine ruhige Nachtfahrt bringt und nach Crotone, einer Kleinstadt ohne Sehenswürdigkeiten, aber zum Aufholen des entgangenen Schlafs geeignet.

2.2 Monopoli – ganz genau, Brindisi – nur kurz

Es ist Donnerstag. Aus geplanten zwei Tagen in Monopoli sind jetzt schon fünf geworden. Es hocken eine Menge fetter Tiefs über allen Teilen des gesamten Mittelmeeres, und in dem über Süditalien sitzen wir genau mitten drin. Wind mit 25 Knoten im Hafen, mehrere Gewitterschauer und Regengüsse täglich lassen ein Weiterfahren zur Zeit nicht zu. Neben uns am Pier liegt der Italiener Max mit seinem Boot, und wartet wie wir besseres Wetter ab. Er ist allein unterwegs, will baldigst nach Rom, und wird bei Wetterbesserung gemeinsam mit uns auslaufen, um jemanden in der Nähe zu haben. Mittlerweile kennen wir uns in der Kleinstadt Monopoli (48000EW) ziemlich gut aus. Wir kennen inzwischen jeden Markt, jeden Imbissstand, jeden Gemüsehändler der Altstadt und finden auf Anhieb überall hin. Alle Kirchen und Festungsteile haben wir inzwischen abgeklappert. Mit den Rädern lässt sich der Stadtkern um den Hafen relativ schnell in jeder Richtung durchqueren. An den Verkehr muss man sich erst gewöhnen: Fußgängerübergänge sind hier kein Thema. Halteverbotszonen werden vollkommen ignoriert. 80% der Autofahrer telefonieren am Steuer (NICHT: Einparken um zu telefonieren, SONDERN: telefonieren beim Einparken). Ansonsten fahren die italienischen Autofahrer jedoch überraschend rücksichtsvoll.  Am Freitag wird es voraussichtlich in Richtung Brindisi weitergehen, der Wind sollte schwächer werden, lediglich die Regenschauer werden wohl anhalten.

Die 7stündige Fahrt nach Brindisi, davon 4 Stunden in strömenden Regen, bietet schönen Segelwind aber dafür hohe Wellen von schräg hinten. Zeitweise sehr unangenehm. Die Bitte von Max, mit ihm gemeinsam zu fahren erweist sich als sinnvoll: auf halber Strecke funkt er uns an, dass wir ihn in den Hafen von Brindisi schleppen sollen, weil seine Motorkühlung nicht funktioniert. Das machen wir dann auch – ziemlich abenteuerlich bei 17 Knoten Wind und ein- und auslaufenden Fähren im Großhafen. Geht aber gut und Maxens Kühlung kann kurz nach dem Anlegen repariert werden. Wir liegen an der Stadtmole, entlang der heute gerade eine Art Kirtag stattfindet, mit tausend Gerüchen von den vielen Ständen, und einem scheppernden Stromgenerator an jedem Stand. Was für ein Glück!

2.1. Do Videnja Hrvatska – Buon Giorno Italia

Für die Ausreise-Zollformalitäten (wir sind innerhalb der EU und bleiben auch in selbiger!) muss man an einem eigenen Steg anlegen, zum sehr freundlichen Hafenkapitän und dann zur Polizei. Anschließend erklärt uns der Polizist freundlich aber bestimmt, dass wir das Land jetzt unverzüglich zu verlassen hätten.
Die Götter sind uns gnädig und schenken uns zwei ruhige Tage. Kaum Wellengang und zeitweise leichter Wind aus günstiger Richtung ermöglichen eine stressfreie Überfahrt, teils mit Motor, zwischendurch auch lange Strecken segelnd. Die ganze Fahrt dauert 21 Stunden. Bis kurz vor Italien sehen wir kein einziges Schiff. Dafür begleiten uns zwischendurch ein paar Delfine. Keine Ahnung, ob kroatische oder italienische.
Die Ankunft in Bari nach Sonnenaufgang ist ein bisschen enttäuschend. Eine ziemlich große dunstige Stadt in fader Landschaft, dazu treibt uns der Luftzug seltsame Düfte entgegen, erst riecht es leicht modrig, etwas später verbrannt, dann nach Chemiefabrik. Großstadt halt. Wir legen nicht in Bari an sondern schwenken nach Süden ab, die Küste entlang. Wir suchen eine Badebucht zum Ankern und ausschlafen. Die finden wir auch nach ein paar Meilen und Ankern dort. Kurz darauf, beim Salatessen, kommt schon die Küstenwache längsseits und erklärt uns, dass man in Italien beim Ankern mindestens 100m Abstand zur Küste einhalten muss. Wusste ich bisher nicht. Wir verlassen sofort den Sperrbereich und jausnen weiter. Abends fahren wir wegen schlechter Wetteraussichten in die benachbarte Stadt Monopoli (dort kann man leider nicht mit Spielgeld bezahlen) in den Stadthafen und liegen längs an der kostenlosen(!) Gemeindemole. Also Räder auspacken und die Stadt mit 15 Kirchen im Altstadtbereich erkunden. Es ist ein nettes Städtchen mit freundlichen hilfsbereiten Bewohnern. Die ersten Eindrücke von Italien sind also sehr positiv. Weniger erfreulich ist der absolute Mangel an bezahlbarem Bier in Lokalen, ein kleines um 2 bis 3 Euro, große gibt’s kaum. Wie kann man hier bloß leben? Werde schon eine Lösung finden. Supermarkt oder so. Das Wetter spielt wieder einmal verrückt, mit Starkwind und Gewitter, daher werden wir wohl zwei Tage hier bleiben.