6.3. Atlantiküberfahrt Azoren-Festland

Tag 1: Wir legen am 31.05.2017 um 0730 in Angra do Heroismo auf Terceira ab. Ziel ist Lissabon. Das Wetter soll regnerisch werden, alle Berge sind schon in dichte Wolken gehüllt. Wir fahren unter Maschine los, noch weht sehr schwacher Wind. Der Schwell vor der Hafenausfahrt ist schon 1m, weniger gibt es im Atlantik sowieso nicht. Nach 2 Stunden Motorfahrt ist endlich genug Wind zum Segeln: SüdWest, 12-15 Knoten. Bis zum Nachmittag steigert sich der Wind auf bis 20 Knoten, Welle 2m. Es scheint, dass wir dem Regen von Terceira entgangen sind. Trotzdem ist es rundum grau und unfreundlich. Es ist sehr kühl. Später in der Nacht regnet es dann doch.
Tag 2:  In der Früh dann plötzliche Winddrehung auf NordOst, voll dagegen mit 20 Knoten und massivem Regen. Ganz toll. Es bleibt den ganzen Tag und die folgende Nacht so. Wenigstens der Regen hört am Abend auf, die Nacht bleibt trocken. Unter Segel machen wir kaum Fahrt, weil das Boot sich in jede einzelne entgegenkommende, steile Welle verbeißt. Wir fahren mit Maschine und lassen das Hauptsegel stehen. Höchst beschissener Tag.
Tag 3: Der Wind hat etwas nach Nord gedreht und ist schwächer geworden. Bei Sonnenaufgang werden die Segel gesetzt. Die Sonne zeigt sich nicht, weiterhin starke Bewölkung und es ist saukalt. Am späten Vormittag dann lösen sich die Wolken innerhalb einer halben Stunde völlig auf, die Sonne ist warm, der Wind leicht und aus guter Richtung. Eine Wohltat nach gestern. Der Wind hält die ganze Nacht über an, sehr schwach, aber wir können ganz gut segeln, weil keine Welle mehr bremst.
Tag 4: Morgens hört der Wind völlig auf und wir müssen die Maschine bemühen. Das Azorenhoch (offenbar gibt es so was wirklich, bisher hatten wir dort nur Tiefs erlebt) hat uns voll eingeholt. Zuerst ist es noch bedeckt, ein weisser Schleier, die Sonne ist nur zu erahnen. Und es ist windstill und glatt.  Am Nachmittag klart es wieder plötzlich auf und es wird doch noch sonnig. Abends kommt dann ähnlicher Wind auf wie gestern, wir versuchen zu segeln. Die Nacht über geht es auch so halbwegs, langsam, mit vielen Schlenkern, aber ruhig.
Tag 5: Der Wind wird vorerst nicht stärker, dreht aber nach Achtern, was ihn noch unbrauchbarer macht. Außerdem werden die Wellen wieder höher, von irgendeinem Wind irgendwo auf der Welt. Es ist wieder Motorfahrt angesagt. Am frühen Abend versuchen wir es wieder mit Segeln, Vorwind, leider schwach, wenig Fahrt, aber kein Motorlärm in der Nacht. Über Nacht wird der Wind stärker, die Welle höher. Zeitweilig fahren wir mit Butterfly, später nur noch mit dem Großsegel vor dem Wind.
Tag 6: empfängt uns statt mit einem Sonnenaufgang mit 2 Kaltfronten und ordentlich Regen. Tagsüber zeigt sich ein wenig Sonne durch den grauweissen Schleier, der den ganzen Horizont bedeckt.Der Wind ist unverändert 15 Kt aus West mit 2m Welle. Es sind noch 300 Meilen bis Lissabon, und es geht recht zäh dahin. Abends regnet es noch ein paar Mal. Über Nacht dreht der Wind auf Nord 20 Kt, wir fahren Halbwindkurs, 2m Welle. Wir sind jetzt schnell, aber es ist alle andere als gemütlich.
Tag 7: Wind aus Nord bis Nordost mit 18 Kt. Die kurze Welle, inzwischen 3m hoch, kracht immer wieder gegen das Schiff. Es ist fast wolkenlos, in der Sonne warm, der Wind ist kalt. Vor Beginn der ersten Nachtwache um 20Uhr sind es noch knapp unter 100 Meilen bis Lissabon.  In der Nacht werden Wind und Welle stärker, es beutelt uns grob durch, Wasser kommt auf Halbwindkurs ständig über. Es ist die grauslichste Nachtfahrt bisher.
Tag 8: am Morgen sehen wir Land, wir segeln noch bis etwa 5 Meilen vor der Tejo-Mündung, dann hört der Wind ziemlich plötzlich ganz auf, die 2-3m Wellen von der Nacht reduzieren sich in Landnähe innerhalb einer knappen Stunde auf 0. Es ist sonnig und friedlich als gäb’s nichts anderes. Wir motoren den Fluß Tejo 12 Meilen bis nach Lissabon hinauf.

6.1. Atlantiküberfahrt Karibik-Azoren

Anker auf ist wie geplant am Mittwoch, den 3.5.2017 um 1200 UTC aus St.Martin. 2200 Meilen liegen im Idealfall vor uns.
Der Wind kommt nicht aus Südost, wie in der Vorhersage, sondern aus OstNordOst. Ganz genau gegenan. Natürlich. Wir kreuzen, wie fast immer beim Segeln, fahren wie immer hart am Wind. Nach den ersten 2 Fahrstunden haben wir den dritten Squall bereits hinter uns, der nächste kommt uns schon wieder entgegen. Ein toller Anfang!
Nach Passieren der Insel Anguilla dreht der Wind etwas östlicher und wir können den geplanten nördlicheren Kurs fahren.
Wir begleiten über viele Stunden das französische Boot „Rapa“, bis wir es überholen. Die Nacht ist sehr ruppig, an Schlaf ist nicht zu denken, aber wir machen ganz gute Fahrt nach NordNordOst. Immer wieder sehen wir andere Boote am Horizont. Offenbar fahren 3 bis 4 weitere Yachten zugleich mit uns los.
Windstärke und Windrichtung bleiben die nächsten 5 Tage unverändert. Die Wellenhöhe leider auch, es ist sehr holprig und das kostet Geschwindigkeit. Die Squalls lassen zum Glück etwas nach. Hin und wieder sehen wir noch andere Segler auf der gleichen Route, aber die Sichtungen werden seltener. Wir kommen bis jetzt ganz gut voran. Wir haben etwa 550 Meilen hinter uns.

Wellen sind für nix! Seit Tagen schau ich auf dieses widerliche Gewabbere von 2 Metern Höhe hinaus, das mich pro Sekunde einmal hoch-links-vor-runter-zurück-rechts wirft, und ständig mit einem beängstigendem Donnern seitlich an die Schiffswand knallt. Ich frag mich, was sich der da oben wohl dabei gedacht hat, wofür das gut sein soll. Vielleicht als Absprungrampe für fliegende Fische? Aber die fliegen im flachen Wasser auch. Und liegen dann vertrocknet an Deck. Vier Tage Überlegen ergeben definitiv keinen Sinn für Wellen. Keiner will sie, keiner braucht sie, sie sind somit gleichzusetzen mit Stechmückeninvasionen, Fieberblasen oder Gegenwind. Einfach für gar nix. Nur blöd. Basta!

Am 6.Tag wird der Wind etwas schwächer und beginnt nach Süd zu drehen. Mit dieser Drehung gehen wir mit und fahren dann nicht mehr hauptsächlich nördlich, sondern endlich direkt aufs Ziel Azoren nach Osten zu. Außerdem fahren wir nicht mehr so hart am Wind, das bedeutet weniger Schräglage und ruhigere Fahrt. Wir haben Funkkontakt zum dänischen Boot „Barolo“ aufgenommen, das zusammen mit einigen anderen den selben Weg hat wie wir. Beruhigend, dass wir hier nicht ganz allein sind. Es sind einige Boote im Umkreis von 20 Meilen unterwegs. Später funken wir auch noch mit dem norwegischen Boot „Go Beyond“.
Die Genua-Reffleine ist an einer Stelle angescheuert und muss getauscht werden. Nun zeigt die an sich geniale Superspezialanfertigung der Refftrommel von meinem Freund Werner eine kleine Schwäche: Zum Tausch der Leine müssen 16 Schrauben, 4 Edelstahlringe, 4 PVC-Halbscheiben und 2 PVC-Halbschalen demontiert werden. Bei Seegang. Vorne am Bug hängend. Habe große Sorge, dass eines der Teile runterfallen könnte und damit die Vorsegel-Rollanlage unbrauchbar wird. Zum Glück funktioniert der Austausch ohne Verluste. So toll die Neukonstruktion der Trommel auch ist – an den einfachen Austausch der Leine unter Fahrt hatten wir nicht gedacht.
Am 7.Tag wird der Wind sehr schwach und kommt direkt von hinten. Zum Segeln ist er nicht mehr zu gebrauchen. Wir motoren etwa 10 Stunden lang dahin, dann wird’s wieder etwas besser und wir können segeln. Zwei Tage lang bleibt es so, große Welle und leichter Wind, gerade noch zum Segeln geeignet. Lange tüfteln wir an einer Segelstellung herum, damit die Segel beim Extremgeschaukel am Vorwindkurs nicht zu arg schlagen.
Am 9.Tag dreht der Wind eher nach Süd und frischt auf. Ein Tief wird nördlich von uns vorbeiziehen und treibt ihn an. Wir bewegen uns erst einmal in der Mitte zwischen diesem Tief und einem südöstlich liegendem Hoch auf direktem Kurs auf die Azoren zu. Es sind es jetzt noch etwa 1100 Meilen bis dahin, falls wir nicht noch öfter irgendwelchen Wetterlagen ausweichen müssen, wie jetzt eben. Der Wind von diesem Tief erreicht in der Nacht 37 Knoten bei gut 4 Metern Wellenhöhe. Eher ungemütliches Fahren mit überkommendem Wasser. Noch in der Nacht und am nächsten Tag schüttet es mit gleichzeitigen Sturmböen. Wir haben die Segel bis auf ein ganz kleines Fetzerl weggerollt und fahren trotzdem noch 7-8 Knoten. Einige Wellen schlagen seitlich übers Deck oder von hinten ins Cockpit. Trotz Regenkleidung sind wir nass bis auf die Haut. In einer Regenpause begleiten uns ein paar Delfine. Sie schwimmen hinterm Boot im sich auftürmenden Wellenberg nach und schauen uns von oben her an, während wir tief unten im Wellental sind. Dann überholt uns die Welle, die Delfine schwimmen ein Stück zurück und beginnen das Spiel mit der nächsten Welle neu.
Am 11.Tag schwächt der starke westliche Wind etwas ab und geht nicht mehr über 30 Knoten, die Riesenwellen werden aber noch 2-3 Tage anhalten. Es geht gut zu Segeln, aber angenehm ist die 4m Schaukelei nicht. Der Kartenplotter im Cockpit ist von der hohen Feuchtigkeit innen beschlagen und hört zu arbeiten auf. Mein Herz auch. Nach einer Stunde Zerlegen, Trocknen, Wischen, Ausblasen, in die Sonne legen und Zittern funktioniert er nach dem Zusammenbau Gott sei Dank wieder einwandfrei. Er bekommt jetzt eine verbesserte Spritzwasserabdeckung.
Am 12. Tag dreht der Wind gegenan auf Nordost und hört dann fast ganz auf. Motor ein. Morgen soll es wieder besser werden. Die Pause kommt uns nach den anstrengenden letzten Segeltagen ganz gelegen. Im Laufe des Tages begleiten uns mehrmals Delfine, einmal sind sicherlich zugleich 50 Tiere rund ums Boot unterwegs. Im ruhigen Wasser, wie wir es am Atlantik noch nie erlebt haben, treiben viele Segelquallen dahin, andere Quallen auch. Nachts ziehen wir eine Leuchtspur von fluoreszierenden Algen hinter uns her.
Der 13. Tag bringt noch keine wesentliche Verbesserung der Windsituation. Man könnte grade mal segeln, aber wir wollen nicht zu viel Zeit mit Herumdümpeln verlieren. Wir geben einen Segelversuch nach einigen Stunden wieder auf und  motoren weiter.
Am 14.Tag frischt der Wind auf, leider nicht in der vorhergesagten südlichen Richtung sondern eher östlich. Wir können segeln, aber halt wieder einmal voll hart am Wind mit 1m steiler Welle gegenan. Es tuscht alle paar Sekunden, wenn der Bug ins nächste Wellental knallt. Kein Vergnügen, aber es geht wenigstens voran. Es sind noch 400 Meilen bis zu den Azoren, das Wetter soll nun störungsfrei bleiben, hat uns Freund Andi mitgeteilt, der uns dankenswerter Weise täglich eine Wettervorhersage zuschickt. Und er stellt uns ein entspanntes Segeln bis zu den Azoren in Aussicht.
Am 15.Tag dreht der Wind dann doch auf Süd, allerdings mit 25 Knoten und mehr anstelle der vorhergesagten 5-15. Die dazu passende Welle ist 2m hoch und steil. Es tuscht und scheppert beängstigend. Dazu kommen mehrere Squalls in der Nacht. Von wegen „entspanntes Segeln“. Ich muss Andi einmal auf so eine entspannte Atlantikfahrt mitnehmen…  😉
Am 16.Tag stellt sich das versprochene Wetter und somit die Entspannung ein. Wind aus Süd mit 15-17 Knoten, sowie erträgliche Welle ermöglichen gutes Segeln, schnell am Halbwindkurs und halbwegs komfortabel. Gestern hatten wir ein Rekord-Etmal von 160 sm, entspricht einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 6,67 Knoten über 24 Stunden. Die anderen Etmale lagen immer zwischen 120 und 140 sm. Es sind jetzt noch 120 sm bist zum Ziel Horta auf der Azoreninsel Faial.
Die Delfinsichtungen häufen sich, vier, fünf Mal am Tag schauen ein paar vorbei und schwimmen ein Stück mit uns.
Am 17.Tag hält das gute Segelwetter an, sodass wir ohne Probleme den Hafen in Horta erreichen. Dort treffen wir beim Einklarieren auf einige Boote, die mit uns zugleich gestartet und ebenso gerade erst angekommen sind. Der Hafen ist ziemlich voll und eng. Wir liegen außen in einem 3er-Päckchen. Es ist regnerisch, windig und kühl. Erst einmal ausgiebig duschen, und dann suchen wir ein Restaurant zum Essen. Seltsam: vorne am Pier macht gerade eine Reggae-Band Soundcheck für den Abend. In 2 Saisonen Karibik haben wir dort keine einzige gehört…..

Die gefahrene Route, wie auch alle bisherigen, ist in der Kategorie „Route“ zu sehen
ein paar Zahlen, Fakten und Schätzungen zur Fahrt:
Route:  von Marigot auf St.Martin, Westindies  nach Horta auf Faial, Azoren
Fahrtdauer:  408 Stunden, das sind genau 17 Tage.
zurückgelegte Strecke: 2340 sm (4336 km), theoretisch kürzeste mögliche: 2180 sm
davon gesegelt: 2133 sm,  unter Motor gefahren: 207 sm
größte seitliche Abweichung vom kürzesten Weg: 220 sm
Dieselverbrauch:  60 l     (270 l hatten wir dabei)
Durchschnittsgeschwindigkeit: 5,7 Kt (10,5 km/h)
Etmale (gefahrene Strecke in 24 Stunden):  max.160 sm, min.116 sm
höchste Windgeschwindigkeit: 37 Kt (68 km/h)
Squalls: 7, durchregnete Nächte: 1, Regentage: 1
Sicht- oder Funkkontakt mit anderen Yachten auf gleicher Route: 8x
Begegnung mit entgegenkommenden Frachtschiffen: 2x
Delfinsichtungen: täglich mehrere, sicher mehr als 100 Tiere insgesamt
Wellenhöhe max.: ca.4m, etwa 5x ist eine seitlich oder übers Heck eingestiegen.
Wellen: 1.641.600 (bei niedrig angelegter Schätzung von 1 Bewegung je Sekunde)
verschütteter Kaffee/Getränke: 0 (ja, wir haben seit der ersten Überfahrt dazugelernt)
durchschlafene Nächte: 0
verschlafene Ruderwachen: keine Angabe, Näheres weiß eventuell Karli, unser Autopilot

von hier sind es dann nur mehr 1100 sm bis Gibraltar. Hurra!

4.1. Atlantiküberquerung Kanaren-Karibik

Die Zählung der Tage erfolgt immer von Mittag bis Mittag des Folgetages.

Tag01, Donnerstag, 19.11.2015, 11Uhr30. Wir verlassen La Gomera. Vor dem Hafen setzen wir Segel. Der Wind kommt – wie könnte es anders sein – genau von vorne, Südwest. So hab ich mir das gedacht: übern Atlantik auf der Kreuz! Natürlich ist das jetzt nur der abgelenkte Wind zwischen den Inseln. Hoffentlich. Nach einigen Stunden kommt ein komplettes Windloch. Windstille. Abdeckung von Teneriffa. Leider wird nur der Wind abgedeckt. Die Wellen kommen ungehindert in voller Höhe daher. Nach zwei Stunden motoren haben wir die Abdeckung passiert. Der Wind kommt jetzt wie er soll, nämlich von Nordost mit 30 Knoten und 4m Welle. Die ganze Nacht hindurch. Das Frühstück wird zur Herausforderung. Die Brote rutschen vom Teller und die Wurst rutscht von den Broten. Wenigstens der leere Teller bleibt stehen, dank Antirutschmatte. Man braucht eine Hand zum Essen und eine zum Festhalten des restlichen Essens, dann noch eine für die Kaffeetasse und eine zum sich selber Festhalten. Müssen wir noch üben. In der ersten Nacht sehen wir noch zwei weitere Schiffe, dann sind wir allein.

Tag02(FR) verläuft ohne besondere Ereignisse, Wind und Welle gleichbleibend. Wir kommen gut voran, nur das extreme Geschaukel ist anstrengend. Wir schaffen ein Etmal von 140sm.

Tag03(SA): der frisch gekochte Frühstückskaffe verschwindet nach einer Welle hinterm Herd. Nachts begleitet uns eine Gruppe Delfine.

Tag04(SO): Der Spibaumschlitten verbiegt sich beim Bergemanöver wieder. War doch kein Missgeschick von uns beim ersten Mal: das Ding ist einfach so blöde konstruiert, dass es sich bei der Bewegung des Baumes verkeilen muss, und dann vom Baum ausgehebelt wird. Also nicht unser Fehler, aber leider im Moment nicht reparabel, daher haben keine ausgebaumte Genua mehr. Es regnet zwei Mal, die Windstärke variiert von max 35Kn bis min 8Kn. Es ist den ganzen Tag dick bewölkt, die Batterieladung schrumpft ohne Sonne. Wir bekommen die este Windvorhersage übers Satellitentelefon von Andreas geschickt, und die verpricht gleichbleibende Lage. Der abgesprochene Wetterinfodienst funktioniert gut.

Tag05(MO): tagsüber wenig Wind, aber auch weniger Welle, und Sonnenschein! Ein recht gemütlicher Tag, er wird für die Reparatur des Spibaumes genutzt. Die Höhenverstellung wird deaktiviert, damit ist ein Verdrehen und Verkeilen nicht mehr möglich, und der Baum wird um 50cm gekürzt, damit er auch ohne Höhenverstellung nutzbar bleibt. Eine Notlösung, aber wir brauchen den Baum dringend bei Schwachwind mit Welle am Vorwindkurs. Abends und Nachts erfreuen uns noch mehrere Squalls (Starkregenzellen mit Sturmböen), die innerhalb von 20 Minuten auftauchen, aber auch ebenso schnell wieder vorüber sind.

Tag06(DI): der Wind ist stärker, aber wechselnd, dazwischen überholen uns 5 Regenschauer. Ansonsten ist nicht viel los. Die Schaukelei macht jede Tätigkeit sehr anstrengend. Wir haben uns inzwischen soweit an den Rythmus der Wachen gewöhnt, dass wir trotz Geschaukel und Geknarre halbwegs schlafen können.

Tag07(MI): verläuft ohne besondere Vorkommnisse, starker Wind, 5m hohe unangenehme Wellen. Kreuzsee. Am Ende des Tages haben wir erstmals Sichtkontakt zu einem anderen Segelschiff in etwa 2sm Entfernung. Nach ein paar Stunden verlieren wir es wieder aus den Augen.

Tag08(DO): Wind und Welle werden weniger und ermöglichen uns einige Tests mit dem adaptierten Spibaum. Der wird jetzt mit 3 Leinen fixiert gefahren. Setzen und Bergen funktionieren ganz gut, die Genua steht jetzt auch bei schwächerem Wind von Achtern zufiedenstellend. Nur bei allzu viel Welle fällt sie ein und ploppt wieder auf.

Tag09(FR): Schwachwind meist unter 15Kn und zuviel Welle für den Butterfly-Kurs, daher kreuzen wir vorm Wind. Die Frischobst-Reserven gehen langsam zur Neige. Viel länger hätten die Sachen aber eh nicht gehalten. Frisches Gemüse ist aber noch reichlich vorhanden.

Tag10(SA): Wind wird noch schwächer, und die Bootsbewegung durch die Welle lassen die Segel immer wieder einfallen, um dann mit lautem Knall und Durchrütteln des ganzen Bootes wieder aufzuploppen. Wir tüfteln stundenlang an der Idealeinstellung herum. Die gibt es aber nicht. Das nervt schon ziemlich. Die Batterieladung läßt auch zu wünschen übrig. Die Tage sind hier jetzt im Winter nur 11 Stunden lang hell. Die ersten beiden Stunden versteckt sich die Sonne hinter der Passatwolkenlinie. Mit zunehmendem Sonnenstand werden auch die Wolken höher, und bedecken etwa die Hälfte des Himmels. Oft nur kleine Wölckchen wandern mit der Sonne mit und verdecken sie gleich einmal für eine halbe Stunde. Nachmittags fahren wir gegen West in die Sonne und beschatten mit unseren Segeln die Solarpanele. Abends verschwindet die Sonne, ähnlich wie am Morgen für 2 Stunden  in der Dunstschichte, bevor sie unbemerkt untergeht. Zum Batterieladen ist das in Summe knapp zu wenig. Und der Windgenerator fühlt sich beim jetzigen Schwachwind auch nicht mehr zum Stromerzeugen berufen. Etwa alle 3 Tage läuft die Maschine für eine Stunde um das Energiedefizit auszugleichen. Aber wenigstens sind jetzt auch die Wellen kleiner geworden. Gegen Ende des Tages sehen wir ein weiteres Segelboot, das einige Stunden parallel zu uns in ca. 1sm fährt.

Tag11(SO): ein ereignisloser Tag, der Wind ist viel zu schwach, oft unter 10Kn, um Vorwind aufs Ziel zuzufahren. Daher kreuzen wir vorm Wind, was die zurückgelegte Strecke natürlich deutlich verlängert. Und das bei geringer Fahrt. Das gestrige Etmal war gerade einmal 100sm. Etwas deprimierend.

Tag12(MO): der schwache Rückenwind und die kurze chaotische Welle lassen kein angenehmes Segeln zu. Die Stimmung an Bord ist ein bisschen angespannt, wir sind beide etwas gereizt. Im Augenblick macht es uns keinen Spass. Wir fragen uns warum wir uns das antun. Noch einmal? Niemals! In der Nacht steigt die Windstärke dann doch wieder etwas an, sodass man einigermaßen vernünftig fahren kann.
Tag13(DI): Wind ist gut und Welle erträglich, man kann jetzt halbwegs Vorwind fahren. In der Nacht eine der seltenen Begegnungen mit einem anderen Schiff. Selten, aber dafür sehr nah: der Frachter zieht in der Gegenrichtung mit 1/4 Seemeile Abstand vorbei.

Tag14(MI): Wind mit 22 Knoten treibt uns ganz gut vorwärts. Sonniges Wetter läd zu einem Badestopp. Trotz Einholen aller Segel schiebt die Welle Toroa mit fast 3 Knoten weiter. Gut festhalten an der Badeleiter! Man fühlt sich ein bisschen wie ein Angelköder, so an der Badeleiter hängend. Wir sind aber natürlich auch mit einem Gurt gesichert. Das Bad ist erfrischend und angenehm, die Stimmung an Bord hat sich wieder deutlich gebessert.

Tag15(DO): Wind mäßig, Himmel bedeckt, Wellen viel zu hoch, Kreuzsee, das Geschaukel ist widerlich, die Nacht mondlos und stockfinster. Am frühen Morgen beginnt es zu regnen. Zu allem Übel bricht das Genuafall im Masttopp. Das Segel ist mit 2-3 Windungen aufgerollt und rutscht deshalb nur ein kleines Stück herunter. Es bleibt auf Vorwindkurs ein bisschen faltig, aber halbwegs funktionsfähig stehen, solange wir es nicht gröber verändern müssen. Der Tag war für nix.

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Für besseres Verständnis zum Thema „komfortables Segeln am Atlantik“, und weil grad Zeit ist, folgender kleiner Exkurs in eine der täglichen routinemäßigen Verrichtungen an Bord:
Die Bedingungen:
Der Wind kommt mit 12 Knoten von 150Grad Steuerbord, also etwas rechts hinten.
Die Hauptdünung kommt ungefähr aus der gleichen Richtung und ist etwa 4m hoch, und 25m lang. Darüber lagert sich eine wechselnde Kreuzsee mit etwa 1m Höhe, vollkommen chaotisch. Das Boot fährt etwa eine Minute mit 6 Knoten halbwegs geradeaus, und wird dann von einer Dünungswelle 40 Grad nach Steuerbord verdreht, bleibt beinahe stehen, pendelt auf Kurs zurück, Segel fallen ein, Ploppen wieder auf, das Boot beschleunigt wieder langsam. Währenddessen schaukelt es im 3 Sekunden Takt jeweils 30Grad nach links und 30Grad nach rechts. Die Schiffsbewegung entspricht exakt der eines mechanischen Rodeobullen vom Jahrmarkt, nur etwas langsamer. Dafür immerfort. Tag und Nacht. 3 Wochen lang. Ohne Pause. Ein tolles Erlebnis.
Die Aufgabe:
Ein Becher mit Fruchtsaft soll gefüllt und ausgetrunken werden.
Man bewegt sich, nicht ohne sich immer mit mindestens einer Hand irgendwo krampfhaft festzuhalten, auf den Kühlschrank zu. Dort verklemmt man sich mit Füssen, Arsch und Kopf zwischen Küchenzeile und Sitzbank, um wenigstens für Sekunden zwei Hände frei zu haben. Man öffnet den Kühlschrankdeckel und greift hinein. Inzwischen fällt der Deckel wieder zu. Man nimmt trotzdem das Saftpackerl heraus und stellt es vor sich auf die Antirutschmatte. Der freigewordene Platz im Kühlschrank wird sofort durch Nachrutschen und Umfallen des restlichen Inhalts aufgefüllt. Man öffnet mit einer Hand den Drehverschluss, der anschliessend hinunterfällt und unterm Tisch verschwindet. Egal. Die Becher sind daneben in einer Halterung vorbereitet. Natürlich ohne was zu verschütten (haha), schenkt man maximal einen halben Becher voll. Nicht mehr, sonst schwappt es bei der nächsten Welle in 3 Sekunden sicher über. Jetzt brauchen wir den Verschluss wieder. Das Saftpackerl kann natürlich nicht alleine stehenbleiben, also mit dem offenen Packerl in der Hand niederknien und auf allen Vieren (eigentlich Dreien) am Boden nach dem Deckel suchen. Mit etwas Glück findet er sich und lässt sich zuschrauben. Beim Aufstehen wird man von einer Bootsschwingung (man erinnert sich: alle 3 Sekunden) auf die andere Seite geschleudert und rennt gegen irgendeine Ecke. Dann zurück zum Kühlschrank, wie zu Beginn, Deckel auf, reingreifen, und so weiter. Der hat seinen Inhalt inzwischen völlig neu umsortiert. Man benötigt jetzt die zweite Hand (Festhaltehand) um den Kühlschrankinhalt so zu verschieben, dass das Packerl wieder reinpasst. Wer so wie wir die Packerlsäfte gerne mit ein wenig Flaschenwasser verdünnt, hat jetzt das ganze Theater mit dem Wasser noch einmal. Jetzt kann man gemütlich eingekeilt stehend den Becherinhalt austrinken und hoffen, dass man sich nicht anschüttet. Was für ein Spass, wie konnte ich bisher nur ohne ihn leben?
Segeln ist die teuerste und unbequemste Art zu reisen und dabei äusserst langsam nirgends hinzukommen.

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Tag16(FR):  nach genauer Untersuchung des Genuaproblems wird beschlossen, mit der etwas faltigen Genua weiterzufahren, solange es geht. Sollten wir sie zwischendurch doch bergen müssen, werden wir sie danach ersatzweise mit dem Spifall neu hochziehen – so der Plan.

Tag17(SA): Karoline hat ein neues Menue erfunden: Chayotencouscouscurry mit Ananasstückchen. Ganz fein! Ansonsten passiert nichts Aufregendes. Schwacher Wind, zuviel Welle, öde Schüttelei.

Tag18(SO): leider haben wir vergessen, für den 6.Dez. Schokoladenikoläuse mitzunehmen. Daher gibt es an diesem Tag keine süße Überraschung. Auch sonst nichts Neues, alles wie immer: schwacher Wind, zuviel Welle. Nachmittags jede Stunde ein Regenschauer. Segeln ist schön.

Tag19(MO): Wir kreuzen wieder vorm Wind. Das erhöht die Fahrgeschwindigkeit, auch wenn es den Weg verlängert. Die Schrägfahrt zur Welle macht diese ein bisschen weniger ekelhaft weil die Seitenstabilität des Bootes steigt.

Tag20(DI): am Morgen kreuzt der chinesische Frachter „Weihai“ in einer Entfernung von etwa 1sm unseren Kurs. Sonst passiert nichts mehr an diesem Tag. Wind nur um die 12Kn, aber auch weniger unangenehme Welle. Wir kreuzen weiterhin vorm Wind.

Tag21(MI): schon wieder ein Schiff! Der maltesische Frachter „Cielo di Valparaiso“ passiert uns in 5sm Abstand. Von den rund 250 Segelbooten der ARC und der Atlantic Odyssey, die etwa zur gleichen Zeit wie wir fahren, sehen wir aber gar nichts. Anfangs ganz guter Wind mit wenig welle, wandelt es sich nach kurzer Zeit zum normalen Schwachwind mit viel Welle, aufgelockert von stündlichen Regenschauern mit Böen. Nachts ein Squall mit über 33Knoten Wind lässt diesen Tag zu einem Favoriten für einen Spitzenplatz in der Rangliste der unnötigsten Tage werden. Die beinahe überwundene Unlust am Atlantiksegeln kehrt wieder zurück.

Tag22(DO): in der Früh wieder eine Schiffssichtung, ein Frachter aus Hongkong kommt uns in 6sm Abstand entgegen. Der Rest des Tages verläuft ruhig. Vor der Morgendämmerung sehen wir erstmals Lichter von Barbados. Nach 22 Tagen und knapp 4 Stunden Fahrzeit kommen wir im Hafen von Bridgetown an. Da Bridgetown für kleine Boote ein sehr ungeeigneter Hafen ist fahren wir zum Einklarieren 10Meilen weiter in die nächste Stadt, Port St.Charles.

 

3.8. Großer Teich

Um gegen den ständigen Strom durch die Strasse von Gibraltar hinaus zu fahren, sollte nicht auch noch Gegenwind aus West wehen. Das tut er derzeit aber recht stark, daher warten wir zusammen mit mehreren Booten hier in La Linea bei Gibraltar auf Ostwind. Zudem erwarten wir auch eine Paketlieferung aus einer Internetbestellung. Der etwas längere Aufenthalt bietet Gelegenheit, ein paar Dinge nachzuholen. Ölwechsel an der Maschine, eine Kompassreparatur, und wir kaufen in einem grossen Einkaufszentrum der Stadt neue Fahrräder im Abverkauf um die Hälfte reduziert. Diesmal mit noch dickeren Fahrradschlössern. Wir nutzen die neue Mobilität gleich zu einer kompletten Umrundung des Gibraltar-Felsens auf einer abenteuerlichen Strasse durch Tunnels und am Abgrund entlang, und am Ende direkt am Fuße der 400m hohen senkrechten Felswand vorbei. Jetzt sind tägliche Einkäufe in den weitläufigen spanischen Küstenstädten wieder einfach möglich. Ein Ausflug mit dem Autobus geht ins 40km entfernte Tarifa, einem Touristenort und Surfspot außerhalb,  und einer ganz netten Altstadt innerhalb der alten Stadtmauer. Auf den Leuchtschriften der Busse steht übrigens nicht, wo sie  hinfahren, sondern wo sie herkommen! Sehr interessant. Die Logik dahinter bleibt uns leider verborgen, aber wir finden durch Fragen dann doch den richtigen Bus.
Die beiden Pakete kommen termingerecht an, und zwei Tage später dreht der Wind auf Ost, sodass wir die Durchfahrt machen können. Während der Tidenstrom den Grundstrom von West abschwächt, fahren wir die 25 Meilen vorwind bei 25 bis kurzzeitig 35 Knoten unter Genua ziemlich zügig durch. Die Durchfahrt erweist sich als unproblematischer als befürchtet. Wetterglück. Wir sind jetzt im Atlantik.
Für die Überfahrt auf die Kanaren haben wir uns Jausenwürste besorgt. Nun sind die meisten spanischen Wurstarten relativ weich, daher hängen wir sie im Salon auf. Sie sollen ein, zwei Wochen Zeit zum Reifen und Trocknen haben. Die in der Marina Barbate wohnhaften Katzen sehen das anders, schleichen sich nachts auf das Boot, und fressen die beiden Würscht bis auf wenige Zentimeter weg. Wir bemerken nichts davon, erst in der Früh sehen wir die abgefressenen Wurstzipfel.

Überfahrt Gibraltar zu den Kanarischen Inseln:
die ersten beiden Tage gestalten sich anstrengend. Am ersten Tag vorerst fast kein Wind, dann von gegenan. Wir müssen hart am Wind fahren und einen Umweg machen. In der Nacht , während es dann wieder sehr ruhig ist, schwimmen neben uns ein paar Delfine mit, die wir im Dunkel nicht sehen können, aber wir hören ganz nah ihre Ausblasgeräusche. Das Fauchen aus dem Dunkeln klingt ein bisschen gespenstisch. Die nächsten 2 Tage quälen uns mit Leichtwind so um 12 Knoten von genau achtern, dazu sehr hohe Welle um die 3 Meter. Das Boot rollt und geigt, da bleibt kein Segel stehen. Wir müssen vor dem Wind kreuzen, um Fahrt zu machen. Leider verlängert das den Weg zum Ziel deutlich, aber man fährt wenigstens vernünftig. Alle Tätigkeiten, Wie Kochen, Essen, Anziehen oder Klogehen erweisen sich als höchst schwierig. Sitzen und mit zwei Händen Festhalten geht gerade noch. Ab dem dritten Tag sehen wir keine anderen Schiffe mehr im Umkreis von 20 Meilen. Nach fünfeinhalb Tagen durchgehender Fahrt kommen wir in Arrecife auf Lanzarote an. Das war mit 630 Meilen am Stück unsere bisher längste Überfahrt. Im Nachhinein betrachtet sind die fünf Tage eigentlich schnell vergangen.