5.6. Saint Lucia

Wir warten einen Tag länger als geplant in Martinique auf besseren Wind, und es lohnt sich in zweifacher Hinsicht:
Zum Ersten dürfen wir Zeuge eines Jetski-Rennes in Ste. Anne werden! Nun sind Jetskies laute, stinkende, wellenerzeugende Sch…dinger, die immer von schwachsinnig grinsenden Vollidioten mitten durch Schwimmer, Schnorchler und Ankerlieger gejagt werden. Rennmäßig natürlich. Also vollkommen unnötig. Ein richtiges Renn-Jetski ist lauter, stinkender, usw…., also unnötig zum Quadrat. Aber wenigstens ist der Bereich abgesperrt und niemand wird gefährdet. Ein Kamera-Hubschrauber kreist über dem Startbereich, tausend begeisterte Zuschauer fiebern hinter der Strandabsperrung mit. Beim Start rasen etwa 20 Unnötig-zum-Quadrat vom Strand weg, 50m an unserem Boot vorbei, und verschwinden am Horizont, wo sie ein paar Runden um Bojen drehen. Der Heli hinterher, nur durch ihn kann man erahnen, wo die überhaupt herumfahren. Nach 20 Minuten kommen sie zurück zu Start und Ziel am Strand. Das Ganze 4 Mal. Nach zwei Stunden ist der Spuk vorbei, für’s Publikum so spannend wie jemandem beim Briefmarkensammeln zuzusehen. Unnötig zum Quadrat halt.
Zum Zweiten kommt der Wind mit 15 Ktn aus OstSüdOst, und wir können, zwar eher hart am Wind, aber doch einen Anliegerkurs fahren, und das bei sehr wenig Welle. Fünf angenehme Segelstunden später sind wir da.
Wir ankern vorerst vor der Rodney Bay Marina und gehen zum Einklarieren. Obwohl St.Lucia Mitglied bei der Sailclear-Internet-Zollformalitäten-Plattform ist, auf der auch wir unsere Daten vorab deponiert haben, muß ich dort alle Angaben neu auf Formularen eintragen, in vierfacher Ausfertigung. Ein Exemplar bleibt bei mir, die anderen drei werden auf drei nebeneinander stehende Schreibtische mit fesch uniformierten Beamten im gleichen Büro verteilt: Customs, Immigration und Seaport Authority. Dauert nur knapp eine Stunde, kost‘ fast nix, nur 10€. In Dominica mit dem gleichen System hat das Ganze kaum 5 Minuten gebraucht, wurde von einer Sekretärin am Computer erledigt und kostete dort 3,50€.  Wie die das in St.Lucia machen, wenn im Dezember mit der ARC 250 Yachten fast gleichzeitig einfahren, möcht ich gar nicht wissen.
Die Rodney Bay ist nicht besonders attraktiv. Der gesamte Strandbereich ist hotelverseucht, es gibt keine Anlegemöglichkeiten für Beiboote, außer in der Marina. Auf der gegenüberliegenden Seite der Bucht liegt die Halbinsel Pigeon Island. Dort ankern wir dann letztlich, weil es dort viel schöner ist. Ein Naturschutzgebiet mit einem Stück Strand, einem Anlegesteg, einem netten Wirtshaus mit Internet und einer Festungsanlage aus dem 18.Jhdt. Eintritt ca. 7€ pro Person von 8 bis 17 Uhr. Sogar für Nur-Wirtshausbesucher! Nach 17 Uhr ist der Zutritt zum Wirtshaus frei, aber man darf dann nicht mehr an den Strand und auch nicht auf die Burg gehen. Da passen die gestrengen Parkwächter noch bis zum Abend auf. So seltsame Zutrittsbestimmungen haben wir sonst noch nirgends vorgefunden. Weil die Eintrittskasse am Landzugang steht, wir aber mit dem Beiboot am 200m entfernten Wirtshaussteg anlegen, entgehen wir dem wachsamen Auge des Parkpersonals und können tagsüber den Festungsberg kostenlos erklimmen.
Die Stadt um die Marina hat nichts Besonderes zu bieten, Einkaufen ist mühsam, nur nach 20minütiger Beibootreise möglich. Eine Busfahrt in die Hauptstadt Castries zeigt auch dort keine besonderen Sehenswürdigkeiten. Es gibt jede Menge aufdringlicher Strassenverkäufer, man wird ständig angesprochen, jeder will irgendwelchen Ramsch verkaufen. Einige interessante Punkte auf der Insel wären nur mit einem Leihauto gut erreichbar, aber das wollen wir uns hier nicht antun – Führeschein kaufen(!) und wieder Linksverkehr. So bleiben wir in unserer halbwegs ruhigen Natuschutzpark-Ecke liegen, baden und schnorcheln ein bisschen, und werden nach einer Woche gemeinsam mit der „Seven Seas“, die bis dahin auch hier eintreffen will, in die Grenadinen weitersegeln.
Die „halbwegs ruhige Naturschutzpark-Ecke“ entpuppt sich dann am Wochenende als Reinfall. Am Strand fahren unzählige Autos Einheimischer auf, jedes mit fetter Anlage drin, mindestens 1000Watt, jedes mit mistiger Trash-HipHop-Rap-Schnellsprechkacke. „Musik“, die bestenfalls zum Auslösen eines epileptischen Anfalles gut ist. Jeder scheppert was Anderes. Aber alle zugleich. Und einer lauter als der Andere. Grausam. Einen so unmusikalischen Mob wie hier hab ich noch nirgends erlebt. Keine Spur von Reggae, kein cooler Rythmus, kein Groove, nur Lärm. Wir freuen uns auf Bequia.

5.5. ungeplanter Abstecher zurück

Das Wetter hier im nördlichen Teil der kleinen Antillen ist so schlecht, dass mir niemand einreden kann, das sei normal. Es ist keine Regenzeit, trotzdem regnet es jeden Tag mehrmals, auch in der Nacht immer wieder, sodass man keine Fenster offen lassen kann. Mindestens jede Stunde zieht ein Regenschauer mit starken Windböen drüber, es ist fast immer zu 3/4 oder mehr bedeckt, die Sonne kommt nur dazwischen kurz einmal ein paar Minuten zum Vorschein. Es ist warm, schwül, aber eigentlich nie richtig ruhig und schön.
Karoline ist ein bisschen angeschlagen, Schnupfen, Husten, Halsschmerzen. Sie schläft sich ein paar Tage lang aus, aber man könnte bei dem wechselhaften Wetter eh nichts Besonderes unternehmen. Wir sind außerplanmäßig von Dominica noch einmal nach Guadeloupe raufgefahren. Eigentlich wollten wir schon weiter nach Süden. Der Grund: Julian, Gast auf der „Seven Seas“ hat versehentlich das Smartphone mit einem Getränk ersäuft, und es hat daraufhin seine Funktionen eingestellt. Seine Versicherung wird den Schaden ersetzen, und das neu bestellte Gerät wird Anfang nächster Woche von einem Besucher der „Seven Seas“ nach Guadeloupe mitgebracht. Darum sind wir jetzt auch wieder da, und warten auf unser neues Internet-Dingsi. Jedesmal den Laptop an Land mitzunehmen, um WiFi-Internetverbindung zu bekommen, ist doch recht mühsam.
Die Übergabe klappt am vereinbarten Tag. Während die „Seven Seas“ mit ihren 4 Gästen nach Les Saints weiterfährt, wollen wir nach Marie Galante. Die Insel ist nicht ganz einfach zu erreichen, da sie östlich liegt, d.h. gegen den Wind anzufahren. Erstmals passt der tatsächliche Wind sowohl in Richtung als auch in Stärke mit der Vorhersage zusammen, und wir können hart am Wind einen Anliegerkurs fahren. 15 Knoten Wind, nur kleine Wellen und einmal kein Regen(!) bereiten uns sogar einen recht angenehmen Segeltag, das hatten wir hier bisher nur selten.
Marie Galante ist klein, ungewohnt flach, kein Vulkan. Die Ankerbucht vor Saint Louis ist riesig, seicht, nur wenige Boote liegen hier. Der erste Tag ist ruhig und sonnig. Wir machen einen langen Spaziergang in die Anse Moustique, ein toller, langer, unverbauter Sandstrand. Auch der Strand um die Stadt ist mehrere Kilometer lang und sehr karibisch. Ein bisschen Müll liegt herum, aber man hat den Strand fast für sich allein. Wahrscheinlich kommen erst am Wochenende die Ausflügler vom nahe liegenden Guadeloupe hier her. Wir finden Mangos, zwar klein, aber selbst geerntet. Das schöne, ruhige Wetter veranlasst uns, am nächsten Tag mit dem Bus eine Inselrundfahrt nach Grand-Bourg zu starten. Allerdings ist’s mit dem Schönwetter dann auch gleich wieder vorbei. Es ist regnerisch, wie gewohnt, Sonne nur kurz zwischendurch, der Wind dreht mit jedem Regenschauer einen Vollkreis. Die ankernden Boote liegen dann zu nah, weil mit solch gestörten Windverhältnissen hier keiner rechnet. Die Vorhersage lautet, wie immer, auf Ost 15Ktn. Wir haben heute von West über Nord, zwischendurch auch einmal Süd alles dabei, nur Ostwind eigentlich gar nicht.
Nach einigen ruhigen Tagen starten wir zurück nach Martinique. 80sm sollten in 16Stunden zu schaffen sein, Die Windvorhersage ist günstig, 15-20ktn Ost. Wir wollen Dominica auf der Atlantikseite passieren, um der Windabdeckung hinter den Insel zu entgehen. Wieder einmal hält sich das Wetter nicht an die Vorhersage, Wind von 7 bis 25Ktn, von Südost. Wir fahren so hart am Wind wie nur möglich, müssen uns aber doch mit Motorhilfe an einem Kap vorbeischwindeln, um uns einmal Kreuzen zu ersparen. Danach geht es dann aber ganz gut weiter, in der Nacht regnet es alle halben Stunden mit Böen, und in der Abdeckung von Martinique hört der Wind ganz auf. Wir brauchen dann doch 20 Stunden bis zum Ziel.
Wir bleiben zum Einkaufen eine Nacht in Fort De France, treffen dort wieder einmal auf die „Rebell“, und fahren dann langsam von Bucht zu Bucht an Martinique entlang nach Süden. In Le Marin wollen wir uns noch ordentlich verproviantieren und die Tanks füllen, bevor wir nach St.Lucia übersetzen werden.

5.4. Dominica

Der Abschied von Les Saints fällt uns leicht. Nach einer schwelligen Nacht in der nunmehrigen Bojenbucht wollen wir dort nur schnell weg. Der angesagte Wind von 15Knoten hat dann zwar 25, aber die Richtung passt wenigstens ganz gut zum Segeln. Dominica ist in der schwarzen Regenwolke kaum zu sehen. Etwa 5 Meilen vor dem Ziel hört der Wind auf und es beginnt zu schütten. Eine Meile vor dem Ziel sehen wir die Insel nicht mehr. Der extreme Starkregen hört bis zum Abend nicht mehr auf. Als der Anker fällt sind wir nass bis auf die Knochen, trotz Regenkleidung. Das Wasser der Ankerbucht ist trübe und braun, viele Kokosnüsse, Äste und Müll treiben herum. Die vier Flüsschen, die in die Bucht münden, haben mit dem Hochwasser eine ganze Menge Zeug mitgebracht. Am zweiten Tag ist es in der Früh trocken, ab 9 schüttet es aber wieder den ganzen Tag. Völlig windstill. 90% Luftfeuchtigkeit. Am dritten Tag ist es ein bisschen sonnig, es regnet nicht mehr, dafür bläst der Wind wieder mit 15-20 Knoten über den Ankerplatz. Am vierten Tag regnet es nur wenig, dafür Wind mit deutlich über 20 Knoten. Angenehm oder gemütlich ist es hier wohl nie. Wir überlegen schon, hier bald wieder wegzufahren. So schlecht war das Wetter ja noch nirgends. Nichts von dem Ganzen in den grossräumigen Wettervorhersagen. Das Inselwetter ist durch die hohen Berge ein ganz eigenes Thema.
Die Boatboys von Dominica kommen immer wieder vorbei und wollen einem alles Mögliche verkaufen, von Obst über Sightseeingtouren bis zur Erledigung von Zollformalitäten. Allerdings sind sie nicht aufdringlich und lassen einen bald in Ruhe, sobald man einmal ablehnt.
Der blöde Laderegler vom Windgenerator gibt endgültig den Geist auf. Er bilded sich ein, auch im Stillstand 800 Watt zu laden, und bremst sich sofort ein. Ein Regentag lang wird herumgelötet und umverdrahtet. Durch Deaktivierung der Ladestrommessung kann ich den Prozessor überlisten, die Bremse wieder loszulassen. So gibt es immer wieder Spass mit Equipment an Bord, das zwar sauteuer war, aber deshalb nicht funktionieren muss.
Ausflug in die Hauptstadt Roseau. 20km entfernt, mit dem Bus. Kleinbusse mit 14 Sitzplätzen fahren nicht nach festen Fahrplänen, wenn sie fast voll sind, fahren sie los. Keine Haltestellen, man hält sie durch Winken an und steigt wieder aus, wo man grade will. Kostet nicht viel, ist unbequem und unzuverlässig, aber man kommt irgendwann an. Schlechte Strassen, aber sie fahren als gäb’s kein Morgen. Noch dazu links, und man erschrickt immer wieder, wenn ein Auto auf der „falschen“ Seite entgegenkommt. Unterwegs sind 4 Notbrücken zu passieren, die richtigen wurden beim Wirbelsturm Erika im Vorjahr weggespült. Die Stadt selber ist dann nichts Besonderes, laut und hektisch. Die Häuser sind deutlich einfacher als in der französischen Karibik. Wenigstens machen die hier kein Staatsgeheimnis aus Internetzugängen wie die Franzosen. WiFi ist in beinahe jedem Lokal zu kriegen.
Inzwischen ist auch die „Seven Seas“ mit Veronika, Robert und Julian hier eingetroffen und ankert neben uns. Sofort werden Pläne für gemeinsame Unternehmungen geschmiedet. Ein Ausflug in den Indian River bringt uns in einen schönen Mangrovenurwald, vorbei an einem Drehort zu Fluch der Karibik, die Hütte der Calypso. Am Abend gibt es ein Grillfest der Boatboys-Vereinigung PAYS. Die Einladung für 15Euro lautet: All you can eat, all you can drink. Das ist ein bisschen übertrieben gewesen, wir sind aber satt geworden. Rumpunsch gab es genug.
Am nächsten Abend Grill mit frisch gefangenem Fisch auf der Seven Seas, wie immer ein kulinarisches Fest. Dann nehmen wir uns zusammen ein Leihauto für 2 Tage und fahren die Insel ab. Immer noch Linksverkehr. Sehr gewöhnungsbedürftig. Selber fahren ist noch viel spannender als Busfahren. Wenn man beim Losfahren oder Abbiegen ein ganz ungutes Gefühl hat fährt man hier auf der richtigen Seite. Die Durchquerung eines Kreisverkehrs links und im Uhrzeigersinn empfinde ich als besonders seltsam. Aber man gewöhnt sich sogar daran. Zum Glück befahren wir mit der Allrad-Mietkiste meist kleinste Nebenstrassen in furchtbarem Zustand, da ist wenigstens kaum Verkehr und die Strasse so schmal, dass man sowieso in der Mitte fährt. Bei jeder Fahrzeugbegegnug muss man aber ein bisschen nachdenken.
Wir besuchen ein Schaudorf der Kalinago, karibische Indianer, Urbewohner, von denen es hier etwa 3000 gibt. Sie leben in einem Reservat, und können als Einnahmequelle ihre Lebensart und Geschichte wie in einem Museum den Touristen zugänglich machen. Weiters besuchen wir mehrere Wasserfälle, die in den vulkanischen Schluchten einige zig Meter in türkisfarbene Pools fallen, und das mitten im dichtesten Regenwald. Sehr nass, sehr schwül, aber auch sehr schön. Überhaupt ist ein Grossteil der Insel mit Urwald bedeckt, dazwischen gibt es auch immer wieder bewirtschaftete Flecken, alles wuchert, blüht und gedeiht. Wir finden eine Menge Früchte, Kokosnüsse, Brotfrucht, Kakao. Am zweiten Tag befahren wir ein paar tiefe Schluchten, wieder mit tollen Wasserfällen. In den Pools unter den Fällen kann man wunderbar baden, Massage und Sprudelbecken inklusive, und es ist für einen Fluss nicht einmal kalt.
In der Ankerbucht treffen wir auch Christian, Burgenländer, der allein auf seiner fast 50 Jahre alten „Rodeo“ unterwegs ist. Er hat ein paar Probleme mit der Elektrik am alten Schiff. Robert und ich können ihm ein paar Dinge wieder in Gang setzen, was ihn sehr freut, da er im Frühjahr über den Atlantik zurück nach Europa fahren will.

5.3. Guadeloupe

Die Überfahrt von Martinique nach Guadeloupe ist voller Abwechslung. Bis Dominica 25 Knoten Halbwind. Sobald wir ins Lee von Dominica geraten, plötzlich 8 Knoten Gegenwind. Hinter Dominica ist Segeln unmöglich, alle Boote motoren hier herum. Nördlich der Insel kommt plötzlich wieder Halbwind mit bis zu 32 Knoten. Trotz sehr verkleinertem Segel fahren wir mit über 8 Knoten dahin. Eigentlich zu viel für unser Boot. Es läuft schon sehr unruhig. Gegen Nachmittag erreichen wir Les Saints. Die kleine Inselgruppe vor Guadeloupe gefällt uns sehr gut. Inmitten der drei kleinen Inseln ankern wir gut geschützt in vollkommen klaren Wasser vor einem kleinen Hotelstrand mit höchstens 20 Gästen. Es ist gut zum Schnorcheln, abends sehr ruhig. Wir besuchen die Festung Fort Napoleon mit toller Aussicht über die Inseln und frei herumlaufenden, oder besser herumliegenden Iguanas, etwa einen halben Meter lang. Hier treffen wir auch wieder einmal das deutsche Boot „Rebell“ mit Birgit und Bernd, die wir letztes Mal auf den Kanaren gesehen haben.  Wir bleiben dort vorest nur 2 Tage, weil wir vor einem angekündigtem Wetterwechsel noch nach Guadeloupe rauf fahren wollen. Wir werden aber auf jeden Fall beim Runterfahren hier wieder Halt machen.
Der angekündigte Wetterwechsel findet natürlich verspätet statt. Daher haben wir auf den letzten 20 Meilen nach Guadeloupe keinen Wind und müssen motoren. Der Ankerplatz dort ist dann nicht so toll wie erhofft. Schlecht haltender Schlammgrund, wir müssen uns zwei Mal umhängen, weil der Anker rutscht. Wir liegen weit weg von der Stadt, Supermärkte sind rar und weit weg, dafür gibt es Gelsen. Die Stadt Pointe-a-Pitre ist uninteressant und gammelig. Die Internetverbindung ist äusserst mäßig. Es ist meist nur schwacher Empfang, die 10 Euro Aufbuchung auf der Prepaid-Karte sind am Abend wieder spurlos verschwunden, ohne was davon verbraucht zu haben. WiFi-Zugänge in den Lokalen sind selten, niemals frei, und von schlechter Qualität. Das Internet haben sie nicht gerade erfunden, die westindischen Departementsfranzosen. Die Neueinträge im Blog sind daher derzeit etwas sparsam gehalten, weil wir selber kaum rein kommen. Der angedrohte Wind kommt dann doch noch, Regenwetter auch, daher warten wir erst einmal ab, bevor wir das Schiff allein lassen können und Landausflüge machen.
Eine Inselrundfahrt mit einem Mietauto führt uns um die Basse Terre, die bergige Hauptinsel. Die ist voll mit tropischem Urwald, Flüssen und Wasserfällen. Der große Vulkan Soufriere ist nie zu sehen, versteckt sich immer in dichtesten Wolken. Es regnet jede halbe Stunde, und zwar nicht gerade wenig, sondern es schüttet wie aus Kübeln. Es gibt ein paar Wanderrouten, aber bei dem Wetter ist Wandern nicht gefragt. Einige Routen sind bei Regenwetter sogar als gefährlich eingestuft. Also begnügen wir uns mit ein paar sehenswerten Punkten, die mit dem Auto und kurzen Fußmärschen erreichbar sind.
Nach einer Woche fahren wir wieder zurück nach Les Saints. Ausnahmsweise einmal guter Segelwind aus vernünftiger Richtung und gerade noch erträgliche Wellen. Der Ankerplatz, wo wir vor einer Woche mit etwa 20 Schiffe lagen, existiert nicht mehr. Dort hängen jetzt 8 Bojen, Benutzung natürlich nur gegen Bezahlung, aber ohnehin alle besetzt. Ansonsten ist dort jetzt Ankerverbot. Ganz toll. Der einzig mögliche Ankerplatz in der Nähe ist eher offen, öde und nach Nord gegen Schwell ungeschützt. Große Enttäuschung. Wir werden uns hier daher nicht mehr lange aufhalten, und in den nächsten Tagen nach Dominica übersetzen.

5.2. Martinique

Die 100-Meilen-Überfahrt von Barbados nach Martinique geht viel schneller als gedacht. 25 Knoten raumer Wind lassen die Geschwindigkeit nie unter 7 Knoten abfallen. Wir kommen daher vier Stunden vor Plan, noch bei Dunkelheit an, und ankern weit draussen vor der Stadt Le Marin, weil die Einfahrt ein bisschen heikel ist. Am nächsten Morgen fahren wir in die riesige, seichte Stadtbucht ein. Hier ankern bestimmt an die 1000 Boote. Einklariern ist einfach, man gibt seine Daten selber am Computer ein und kriegt einen Ausdruck dafür. Wir sind wieder in der EU – Frankreich. Die Menschen hier sind, obwohl genauso dunkelhäutig wie in Barbados, viel europäischer. In Barbados waren sie um einiges entspannter und lockerer drauf. Die Stadt Le Marin bietet extrem gut ausgestattete Schiffsausrüster und Reparaturdienste. Wir lassen eine lose Schiene am Grossbaum neu montieren. Das wäre an sich zum Selbermachen kein Problem gewesen, aber die seit 20 Jahren festsitzenden Schrauben waren ohne Spezialwerkzeuge nicht zum Bewegen zu bewegen. Bei der Gelegenheit lassen wir auch noch einen Riggcheck von den dortigen Spezialisten machen – Aufatmen, alles OK. Ich bekomme wertvolle Tipps zum Selbereinstellen der Wanten und des Riggs.
Wir finden einen ruhigen (endlich keine Wellen mehr!!!) Ankerplatz in einer von Mangroven gesäumten, unbewohnten Bucht nahe der Stadt. Das Waaser dort ist etwas trübe vom schlammigen Grund in den Mangroven, wie ein Waldteich zuhause. Dort liegen viele offenbar fahruntüchtige, bewachsene, rostige Schiffe vor Anker. Wir halten viele davon zunächst für Wracks, die dort friedlich ihrem Ende entgegengammeln. Abends brennen aber doch in beinahe allen Lichtlein, und sie sind bewohnt von Aussteigern, die dort wohnen, aber wohl nirgends mehr damit hinfahren werden.
Wir verbringen die Tage von Weihnachten bis Neujahr ruhig, mit Baden, Entspannen, und öfter Mal Grillen. Ein paar Mal treffen wir uns mit Hannes, Lydia und Robin von der Blue Lilly, einem weiteren österreichischen Boot. Im Mangrovenwald entdecken wir einen kilometerlangen, schmalen, befahrbaren Kanal. Das ist schon sehr fremdartig für uns. Mit dem Schlauchboot im Wald rumfahren. Es ist heiß, ein bisschen windig, und es regnet mehrmals am Tag für ein paar Minuten, obwohl die Regenzeit eigentlich schon vorbei sein sollte. Dann scheint wieder die Sonne. Es läßt sich aushalten. Wir bekommen mehrmals täglich Besuch von einem kleinen, spatzenähnlichen Vogel, der die Brösel im Cockpit aufpickt. Er wird dabei immer zutraulicher und wagt sich bis auf schon bis auf wenige Zentimenter an uns heran, wenn wir ruhig sitzen.

Nach einigen Tagen wechseln wir den Ankerplatz wieder vor die Stadtbucht. Dort ist es zwar nicht ganz so ruhig wie drinnen, dafür ist das Wasser dort klar mit Sandgrund. Die nächsten Tage verbringen wir ohne besondere Aktivitäten mit kurzen Fahrten zu verschiedenen Ankerplätzen. Wir Baden und Schnorcheln in allen erreichbaren Riffbereichen. In den Riffen wimmelt es von bunten Fischen, Korallen, Schwämmen und Menschen. Die Meeresbereiche abseits der Riffe sind fast leer und unbelebt.  Einmal schnorcheln wir in einem Schwarm von tausenden kleinen Fischchen. So viele, dass man den Grund darunter nicht mehr sehen kann. Der Besuch einer Rumdestillerie gibt uns interressante Einblicke in die Rumerzeugung heute und vor 100 Jahren. Gratis Verkostung inklusive. Neben der Rumdestillerie gibt es in Saint Pierre noch Ruinen der Stadt zu sehen, die 1902 beim letzten Ausbruch des nebenliegenden Vulkans zerstört wurde. In Saint Pierre treffen wir die Blue Lilly wieder. Die Möglichkeiten sind doch begrenzt, es kreuzen sich immer wieder die Wege. Zwei Tage vor Vollmond gibt es eine Langusteninvasion. Milliarden winziger Langusten mit etwa 5mm Größe schwimmen rund ums Boot, werden durch die WC-Spülung herein, und auch wieder hinaus gespült. Wir trauen uns nicht einmal ins Wasser zu gehen, die Viecherln würden zu hunderten in den Haaren hängenbleiben. Nach ein paar Stunden ist der Spuk vorbei, die Krabbenwolke hat sich zerstreut. In den folgenden Tagen tauchen sie immer wieder auf, werden grösser und hängen in den Haaren und in der Badehose.

Wir bekommen Besuch von Anna und Helga, die bleiben für zwei Wochen. Wir segeln mit ihnen die Küste entlang und schauen uns den Jardin de Balata an, einen riesigen Garten voller blühender heimischer und fremder Pflanzen, und dazwischen schwirren Kolibris herum, meist an den angelegten Futterstellen. Ein weiterer Ausflug geht an den Canal de Beauregard. Das ist eine künstliche Wasserrinne entlang eines tiefen Grabens. Auf etwa 6 km Länge ist entlang des steilen Grabenabhanges eine gemauerte Wasserrinne errichtet, die früher den Rumbrennereien als Frischwasserversorgung diente. Jetzt ist es ein Wanderweg durch eine Urwaldlandschaft. Man geht auf der ca. 50cm breiten Grabenaussenmauer, daneben geht es stellenweise 20Meter und mehr fast senkrecht hinunter. Kein Geländer, keine Möglichkeit zum Festhalten. Zeitweise ziemlich mulmiges Gefühl beim Gehen. Trotzdem ist der Wanderweg als leicht eingstuft. Wäre bei uns unvorstellbar. Beim Schnorcheln in verschiedenen Buchten und Riffen haben wir bis jetzt schon die komplette Besetzung von „Findet Nemo“ gesehen. Nur Nemo selber noch nicht.

Besonderer Ankerspaß in einer beliebten, aber engen Bucht: ein höchst erfahren-kompetenter deutschsprachiger Katamaran-Kapitän, der mich an meiner rotweissroten Fahne als Österreicher erkennen müsste, spricht mich bei der Einfahrt in die Bucht in englisch an und meint, es sei „a little difficult here, and no place“, und alle nebenliegenden Boote wären schon fast mit ihm zusammengestossen, und ich könnte da nicht ankern und solle doch besser überhaupt woandershin fahren. Stolz erklärt er mir unwissenden Naivling, dass er 40m Ankerkette draussen hat und dass das gut so wäre, je mehr umso besser. Die Bucht ist 5m tief und 80m breit. Er kapiert leider nicht, dass ER an seiner elendslangen Kette durch die ganze Bucht treibt und alle andern belästigt. Wir tauschen ein paar Nettigkeiten aus, ignorieren ihn forthin und ankern trotzdem daneben. Gottseidank schleicht er sich am nächsten Morgen und nervt jetzt anderswo die Leute mit seiner Blödheit.

In einer Bucht beim Schnorcheln bemerken wir die starke Gezeitenströmung erst, als wir schon aus der Bucht hinausgetrieben werden. Wir schaffen es gerade mit Flossen die Position zu halten, weiter hinein kommen wir nicht mehr. Wir schwimmen Richtung Ufer um dort abzuwarten. Zum Glück kommt ein einheimischer Ankerlieger, der uns beobachtet hat und die Gegebenheiten dort kennt, mit seinem Dinghi entgegen und bringt uns zum Schiff zurück. Die Strömungen werden wir in Zukunft wohl besser beobachten, das war ein bisschen leichtsinnig und hätte auch gefährlich werden können.
Die Faschingstage in Fort de France sind ziemlich gewöhnungsbedürftig. Vor jedem Laden fette Lautsprecher, mehrere Live-Bands gleichzeitig, dazu Umzüge mit Trommlern, Wahnsinnige mit buntbemalten Autoleichen ohne Auspuff, dafür Vollgas. Es ist ein Lärm wie bei einem achtstündigen Flugzeugstart. Man kann den Lärm sogar spüren. Die Leute sind nicht verkleidet, sondern bunt dekoriert mit allerhand schrillem und geschmacklosem Zeug. Besonderes Highlight: dicke Frauen mit knallengen Netzstrümpfen und Shirts. Wie Selchroller! Sehr hübsch.Eine Hälfte ist bekifft, die andere betrunken, auf jeden Fall grölen alle und machen soviel Krach wie nur möglich. Das ist das Wichtigste. Fasching ist einfach lustig. Auch gesehen: einige Weihnachtsmänner. Die Mehrfachverwendung des Kostümes beweist ökonomischen Weitblick.

Das Wetter wird immer feiner. Statt fünf Mal täglich Regen, regnet es jetzt nur mehr ein Mal: von 8 bis 17 Uhr durchgehend. Ein paar Tage lang. El Nino? Oder ist es hier tatsächlich immer so besch…..? In der Nähe von Fort de France treffen wir wieder einmal unsere Freunde von der „Seven Seas“, die wir auf den Kanaren das letzte Mal gesehen haben. Es gibt viel auszutauschen über die Erlebnisse in der Zwischenzeit.  Eigentlich wollten wir nach dem Fasching weiterfahren nach Guardeloupe und Dominica. Eine defekte Batterie sowie der Ausfall des Motorbetriebsstundenzählers zwingen uns wieder in den Süden der Insel nach Le Marin zu den Schiffsausstattern zu fahren. Natürlich gegen den Wind. Wie immer. Hier können wir die kaputten Teile für einen Haufen Bares ersetzen. Nach dem Batteriewechsel spinnt auch noch der Windgenerator-Laderegler. Große Freude kommt auf. Wieder mal alles gleichzeitig hin. Der Laderegler erholt sich jedoch nach einem Tag ohne Stromversorgung. Die Software hat nach dem Totalreset über Nacht wieder zu sich gefunden. Jetzt kann es endlich weitergehen.

Zuvor noch Ankern wir noch einmal in der Anse Mitan, wo wir die Seven Seas und die Blue Lilly treffen. Drei österreichische Boote nebeneinander am Ankerplatz! Tagsüber machen wir einen gemeinsamen Ausflug an die Ostküste mit einem Leihauto. Die Küste ist nicht so berauschend, offen zum Atlantik, aber von einem Riff gegen Wellen halbwegs geschützt. Ganz nett zum Anschauen, aber mit dem Boot möchte ich dort nicht unbedingt hin. Die Berglandschaft im Inselinneren ist ganz schön, üppigst bewachsen, Plantagen und Urwald, Dörfer und lose Besiedelung. Abends gibt es Treffen auf der Seven Seas, zu dem alle Teile des Abedessens mitbringen. Dort wird gegrillt.

5.1. Barbados

Wir sehen Barbados erst sehr spät, da wir uns bei Tagesanbruch annähern. Die Insel ist sehr niedrig, nicht vulkanischen Ursprungs. Erster Anlaufpunkt ist die Hauptstadt Bridgetown. Dort wollen wir einklarieren. Die Anlegestellen im Hafen sind eigentlich für riesige Kreuzfahrtschiffe gedacht. Die Mole ist viel zu hoch für uns, wir kommen fast nicht aus dem Boot hinaus. Vor dem Immigration Office spricht mich ein französischer Segler an, und rät mir, zum Einklarieren in die nächste Stadt zu fahren, da es dort viel unkomplizierter sei. Das tun wir dann auch, und fahren die 10nm nach Port Saint Charles, wo das tatsächlich schnell und völlig problemlos abläuft. Wir ankern dann vor der Stadt. Der Strand ist wunderschön, weisser Korallensand, immer wieder ein paar Steine, Palmen und Laubbäume bis direkt an den Strand. Dazwischen stehen unaufdringliche Hotels im Stil englischer Herrschaftshäuser mit sehr gepflegten Parks rundum. Dann wieder einfache karibische Wellblech-Holzhütten, sehr liebevoll bunt bemalt. Die Menschen sind äusserst freundlich, viele sprechen uns einfach an, und wollen wissen wo wir herkommen. Fast alle grüssen durch ganz lässiges Handheben im Vorbeigehen. Das Segeln auf der Leeseite der Insel ist traumhaft. 15 Kn Halbwind, absolut ruhiges Wasser. Nur das Anlanden mit dem Beiboot ist schwierig. Die langen, leichten Wellen brechen vor dem flachen Strand, was uns zwei Mal beim Aussteigen ein Vollbad beschert. Aber das Wasser ist 25°C warm, Die Luft hat tagsüber 30°C, nachts etwa 24.
Nach ein paar Tagen fahren wir zurück nach Bridgetown, um das gerissene Genuafall reparieren zu lassen. Am Ankerplatz dort treffen wir die Kanadier Al und Irene von der Darvin Sound wieder, die bei der Abfahrt von Gomera unsere Liegeplatznachbarn waren. Die beiden sind seit 1980 unterwegs und haben bereits 250.000nm hinter sich. Mit ein paar Bierchen feiern wir die erfolgreiche Überfahrt beider. Al hilft mir dann noch beim Einziehen des Genuafalls in den Mast, wobei Karoline wieder mal rauf darf. Sie ist halt die Leichteste zum Hochziehen.
Die Strände um Bridgetown sind voller lauter Touristen, Standdiscos und Jetski-Wahnsinnigen. Daher fahren wir nach der Reparatur schnell wieder in den ruhigen schönen Norden zurück, Ankern vor der Stadt Speightstown, baden, Schnorcheln über dem Korallenriff, grillen Truthahn (wegen Weihnachten), und lassen es uns gut gehen. Lokales Bier gibt es, und es ist gut. Das Rumangebot ist auch groß, haben wir aber nicht probiert.

Ausklarieren ist der selbe Papierkrieg wie schon bei der Einreise, die Beamten sind aber so freundlich, dass man ihnen nicht böse sein kann. Anschließend wollen wir unsere letzten 12 Barbados-$ in der Yachtclub-Bar anbringen. Bier, sagt uns der Barkeeper, ginge sich nicht aus, weil eines würde schon 8 BB$ kosten. So trinken wir zwei große Gläser frisch gepressten Orangensaft, vorzüglich. Beim Bezahlen stellt er uns dann plötzlich noch zwei große, frisch gezapfte Bier hin. „Because it’s Christmas“, lacht er uns als Erklärung an. Sehr gelungener Ausklang unseres Besuches in Barbados mit seinen freundlichen Menschen.