5.2. Martinique

Die 100-Meilen-Überfahrt von Barbados nach Martinique geht viel schneller als gedacht. 25 Knoten raumer Wind lassen die Geschwindigkeit nie unter 7 Knoten abfallen. Wir kommen daher vier Stunden vor Plan, noch bei Dunkelheit an, und ankern weit draussen vor der Stadt Le Marin, weil die Einfahrt ein bisschen heikel ist. Am nächsten Morgen fahren wir in die riesige, seichte Stadtbucht ein. Hier ankern bestimmt an die 1000 Boote. Einklariern ist einfach, man gibt seine Daten selber am Computer ein und kriegt einen Ausdruck dafür. Wir sind wieder in der EU – Frankreich. Die Menschen hier sind, obwohl genauso dunkelhäutig wie in Barbados, viel europäischer. In Barbados waren sie um einiges entspannter und lockerer drauf. Die Stadt Le Marin bietet extrem gut ausgestattete Schiffsausrüster und Reparaturdienste. Wir lassen eine lose Schiene am Grossbaum neu montieren. Das wäre an sich zum Selbermachen kein Problem gewesen, aber die seit 20 Jahren festsitzenden Schrauben waren ohne Spezialwerkzeuge nicht zum Bewegen zu bewegen. Bei der Gelegenheit lassen wir auch noch einen Riggcheck von den dortigen Spezialisten machen – Aufatmen, alles OK. Ich bekomme wertvolle Tipps zum Selbereinstellen der Wanten und des Riggs.
Wir finden einen ruhigen (endlich keine Wellen mehr!!!) Ankerplatz in einer von Mangroven gesäumten, unbewohnten Bucht nahe der Stadt. Das Waaser dort ist etwas trübe vom schlammigen Grund in den Mangroven, wie ein Waldteich zuhause. Dort liegen viele offenbar fahruntüchtige, bewachsene, rostige Schiffe vor Anker. Wir halten viele davon zunächst für Wracks, die dort friedlich ihrem Ende entgegengammeln. Abends brennen aber doch in beinahe allen Lichtlein, und sie sind bewohnt von Aussteigern, die dort wohnen, aber wohl nirgends mehr damit hinfahren werden.
Wir verbringen die Tage von Weihnachten bis Neujahr ruhig, mit Baden, Entspannen, und öfter Mal Grillen. Ein paar Mal treffen wir uns mit Hannes, Lydia und Robin von der Blue Lilly, einem weiteren österreichischen Boot. Im Mangrovenwald entdecken wir einen kilometerlangen, schmalen, befahrbaren Kanal. Das ist schon sehr fremdartig für uns. Mit dem Schlauchboot im Wald rumfahren. Es ist heiß, ein bisschen windig, und es regnet mehrmals am Tag für ein paar Minuten, obwohl die Regenzeit eigentlich schon vorbei sein sollte. Dann scheint wieder die Sonne. Es läßt sich aushalten. Wir bekommen mehrmals täglich Besuch von einem kleinen, spatzenähnlichen Vogel, der die Brösel im Cockpit aufpickt. Er wird dabei immer zutraulicher und wagt sich bis auf schon bis auf wenige Zentimenter an uns heran, wenn wir ruhig sitzen.

Nach einigen Tagen wechseln wir den Ankerplatz wieder vor die Stadtbucht. Dort ist es zwar nicht ganz so ruhig wie drinnen, dafür ist das Wasser dort klar mit Sandgrund. Die nächsten Tage verbringen wir ohne besondere Aktivitäten mit kurzen Fahrten zu verschiedenen Ankerplätzen. Wir Baden und Schnorcheln in allen erreichbaren Riffbereichen. In den Riffen wimmelt es von bunten Fischen, Korallen, Schwämmen und Menschen. Die Meeresbereiche abseits der Riffe sind fast leer und unbelebt.  Einmal schnorcheln wir in einem Schwarm von tausenden kleinen Fischchen. So viele, dass man den Grund darunter nicht mehr sehen kann. Der Besuch einer Rumdestillerie gibt uns interressante Einblicke in die Rumerzeugung heute und vor 100 Jahren. Gratis Verkostung inklusive. Neben der Rumdestillerie gibt es in Saint Pierre noch Ruinen der Stadt zu sehen, die 1902 beim letzten Ausbruch des nebenliegenden Vulkans zerstört wurde. In Saint Pierre treffen wir die Blue Lilly wieder. Die Möglichkeiten sind doch begrenzt, es kreuzen sich immer wieder die Wege. Zwei Tage vor Vollmond gibt es eine Langusteninvasion. Milliarden winziger Langusten mit etwa 5mm Größe schwimmen rund ums Boot, werden durch die WC-Spülung herein, und auch wieder hinaus gespült. Wir trauen uns nicht einmal ins Wasser zu gehen, die Viecherln würden zu hunderten in den Haaren hängenbleiben. Nach ein paar Stunden ist der Spuk vorbei, die Krabbenwolke hat sich zerstreut. In den folgenden Tagen tauchen sie immer wieder auf, werden grösser und hängen in den Haaren und in der Badehose.

Wir bekommen Besuch von Anna und Helga, die bleiben für zwei Wochen. Wir segeln mit ihnen die Küste entlang und schauen uns den Jardin de Balata an, einen riesigen Garten voller blühender heimischer und fremder Pflanzen, und dazwischen schwirren Kolibris herum, meist an den angelegten Futterstellen. Ein weiterer Ausflug geht an den Canal de Beauregard. Das ist eine künstliche Wasserrinne entlang eines tiefen Grabens. Auf etwa 6 km Länge ist entlang des steilen Grabenabhanges eine gemauerte Wasserrinne errichtet, die früher den Rumbrennereien als Frischwasserversorgung diente. Jetzt ist es ein Wanderweg durch eine Urwaldlandschaft. Man geht auf der ca. 50cm breiten Grabenaussenmauer, daneben geht es stellenweise 20Meter und mehr fast senkrecht hinunter. Kein Geländer, keine Möglichkeit zum Festhalten. Zeitweise ziemlich mulmiges Gefühl beim Gehen. Trotzdem ist der Wanderweg als leicht eingstuft. Wäre bei uns unvorstellbar. Beim Schnorcheln in verschiedenen Buchten und Riffen haben wir bis jetzt schon die komplette Besetzung von „Findet Nemo“ gesehen. Nur Nemo selber noch nicht.

Besonderer Ankerspaß in einer beliebten, aber engen Bucht: ein höchst erfahren-kompetenter deutschsprachiger Katamaran-Kapitän, der mich an meiner rotweissroten Fahne als Österreicher erkennen müsste, spricht mich bei der Einfahrt in die Bucht in englisch an und meint, es sei „a little difficult here, and no place“, und alle nebenliegenden Boote wären schon fast mit ihm zusammengestossen, und ich könnte da nicht ankern und solle doch besser überhaupt woandershin fahren. Stolz erklärt er mir unwissenden Naivling, dass er 40m Ankerkette draussen hat und dass das gut so wäre, je mehr umso besser. Die Bucht ist 5m tief und 80m breit. Er kapiert leider nicht, dass ER an seiner elendslangen Kette durch die ganze Bucht treibt und alle andern belästigt. Wir tauschen ein paar Nettigkeiten aus, ignorieren ihn forthin und ankern trotzdem daneben. Gottseidank schleicht er sich am nächsten Morgen und nervt jetzt anderswo die Leute mit seiner Blödheit.

In einer Bucht beim Schnorcheln bemerken wir die starke Gezeitenströmung erst, als wir schon aus der Bucht hinausgetrieben werden. Wir schaffen es gerade mit Flossen die Position zu halten, weiter hinein kommen wir nicht mehr. Wir schwimmen Richtung Ufer um dort abzuwarten. Zum Glück kommt ein einheimischer Ankerlieger, der uns beobachtet hat und die Gegebenheiten dort kennt, mit seinem Dinghi entgegen und bringt uns zum Schiff zurück. Die Strömungen werden wir in Zukunft wohl besser beobachten, das war ein bisschen leichtsinnig und hätte auch gefährlich werden können.
Die Faschingstage in Fort de France sind ziemlich gewöhnungsbedürftig. Vor jedem Laden fette Lautsprecher, mehrere Live-Bands gleichzeitig, dazu Umzüge mit Trommlern, Wahnsinnige mit buntbemalten Autoleichen ohne Auspuff, dafür Vollgas. Es ist ein Lärm wie bei einem achtstündigen Flugzeugstart. Man kann den Lärm sogar spüren. Die Leute sind nicht verkleidet, sondern bunt dekoriert mit allerhand schrillem und geschmacklosem Zeug. Besonderes Highlight: dicke Frauen mit knallengen Netzstrümpfen und Shirts. Wie Selchroller! Sehr hübsch.Eine Hälfte ist bekifft, die andere betrunken, auf jeden Fall grölen alle und machen soviel Krach wie nur möglich. Das ist das Wichtigste. Fasching ist einfach lustig. Auch gesehen: einige Weihnachtsmänner. Die Mehrfachverwendung des Kostümes beweist ökonomischen Weitblick.

Das Wetter wird immer feiner. Statt fünf Mal täglich Regen, regnet es jetzt nur mehr ein Mal: von 8 bis 17 Uhr durchgehend. Ein paar Tage lang. El Nino? Oder ist es hier tatsächlich immer so besch…..? In der Nähe von Fort de France treffen wir wieder einmal unsere Freunde von der „Seven Seas“, die wir auf den Kanaren das letzte Mal gesehen haben. Es gibt viel auszutauschen über die Erlebnisse in der Zwischenzeit.  Eigentlich wollten wir nach dem Fasching weiterfahren nach Guardeloupe und Dominica. Eine defekte Batterie sowie der Ausfall des Motorbetriebsstundenzählers zwingen uns wieder in den Süden der Insel nach Le Marin zu den Schiffsausstattern zu fahren. Natürlich gegen den Wind. Wie immer. Hier können wir die kaputten Teile für einen Haufen Bares ersetzen. Nach dem Batteriewechsel spinnt auch noch der Windgenerator-Laderegler. Große Freude kommt auf. Wieder mal alles gleichzeitig hin. Der Laderegler erholt sich jedoch nach einem Tag ohne Stromversorgung. Die Software hat nach dem Totalreset über Nacht wieder zu sich gefunden. Jetzt kann es endlich weitergehen.

Zuvor noch Ankern wir noch einmal in der Anse Mitan, wo wir die Seven Seas und die Blue Lilly treffen. Drei österreichische Boote nebeneinander am Ankerplatz! Tagsüber machen wir einen gemeinsamen Ausflug an die Ostküste mit einem Leihauto. Die Küste ist nicht so berauschend, offen zum Atlantik, aber von einem Riff gegen Wellen halbwegs geschützt. Ganz nett zum Anschauen, aber mit dem Boot möchte ich dort nicht unbedingt hin. Die Berglandschaft im Inselinneren ist ganz schön, üppigst bewachsen, Plantagen und Urwald, Dörfer und lose Besiedelung. Abends gibt es Treffen auf der Seven Seas, zu dem alle Teile des Abedessens mitbringen. Dort wird gegrillt.