5.15. von Martinique nach St.Martin

Nach der Abreise unserer Gäste „normalisiert“ sich das Wetter wieder auf gewohnten Karibik-Standard, d.h. es ist zehn Tage lang Starkwind aus Nordost mit nicht unter 22 Knoten, Welle 2 Meter. Unwitzig nach Norden zu fahren. Wir hängen wieder einmal zum Abwarten einer Wetteränderung in Fort De France herum. Die Wetteränderung erfolgt dann in der Art, dass  zum Nordostwind auch noch Dauerregen dazukommt. Am Tag vor unserer Abreise fahren wir bloß 3 Meilen ums Eck zur Tankstelle zum Wasserbunkern. Dauert mehr als eine Stunde, es sind nämlich 30 Knoten Gegenwind und 1 Meter Welle gegenan – und das in der Stadtbucht! 2 Tage später können wir dann endlich die 200 Meilen nach Nordwest mit Ziel St.Kitts & Nevis starten. Segeln geht gar nicht so schlecht, nur im Lee der größeren Inseln hört der Wind zum Teil ganz auf, obwohl wir mit mindestens 10 Meilen Abstand an den Inseln vorbeifahren.
In St.Kitts finden wir einsame, geschützte Plätze mit gutem Ankergrund. Es bläst zwar mit 25-30 Knoten, trotzdem liegen wir gut und ruhig – kein Schwell. Leider sind diese Ankerplätze so weit von Ortschaften entfernt, dass wir diese nicht mit dem Beiboot erreichen können. Schade, dass  wir dort nicht an Land gehen konnten.
Die geplante Weiterfahrt nach St. Martin erfolgt am übernächsten Tag. Das Wettervorhersage kündigt eigentlich gute Segelbedingungen für uns an. Es regnet dann jedoch alle halben Stunden, Squalls mit Sturmböen erwischen uns ständig. Der Wind dazwischen wird schwach und dreht auf Südsüdost. Wir müssen unser Ziel ändern und fahren vorerst nördlicher nach St.Bartelemy. Dort findet in den nächsten 3 Tagen eine Nobelhobel-Regatta (J-Klasse) für hauptsächlich  britischen Geldsackidioten statt. Die Bucht ist gerammelt voll mit zigmillionen teuren Superyachten, Hubschrauber inklusive, die Beiboote allesamt größer und teurer als Toroa. (z.B. Vava II + Heli von Ernesto Bertarelli, Alinghi-Besitzer, Pharma-Milliardär). Nebenbei herrscht hier ein Schwell, der ununterbrochen von hinten ans Bootsheck tuscht. Hier ist an Land kein Negerlein mehr zu sehen (gut, das war übertrieben, etwa 10 Stück habe ich gesichtet), nur Reich und Schön und Schickmicki bis zum Erbrechen. Es ist wie ein Urlaubsort in Südfrankreich, Fetzenläden, Schmuckläden, Souveniers und Autovermietungen. Und sauteure Restaurants, das Bier um 10 Euro. Die Flughafen-Einflugschneise ist gleich darüber und ein fettes Dieselkraftwerk steht direkt am Strand neben der Stadt. Es ist eigentlich ziemlich widerlich hier. Schlägt sogar Ibiza/Formentera um Längen.
Die kurze Überfahrt von St.Barth nach St.Martin ist wieder problemlos und gut zu Segeln. Am dicht belegten Ankerplatz bei Marigot im französischen Teil angekommen stottert der Motor und hört dann ganz auf. Das Notankermanöver klappt gut und wir erwischen zum Glück auf Anhieb einen ganz passablen Platz. Grund für den Aussetzer ist Dieselschlamm, der den Filter und die Rohrleitungen verstopft. War wohl nachlässig von mir, den Filter nicht regelmäßig zu prüfen. Wir reinigen die verstopften Schläuche, den Absperrhahn und tauschen den Filter. Natürlich muss aber auch der Tank mit den darin noch enthaltenen 80 Litern Diesel gereinigt werden. Das erledigt ein örtlicher „Profi“, dessen Absaug- und Filterpumpe jedoch vom zu schwachen Generator nicht zum Absaugen bewegt werden kann. Daher wird mittels Naßsauger(!) vom Baumarkt abgesaugt und in Kanister umgeschüttet. Eine stinkende Mordsschweinerei. Den abgesaugten Diesel nimmt er mit in die Werft, filtert ihn und bringt ihn gereinigt zurück. Inzwischen wird der Tank mit einem selbstgebastelten Riesenwattestäbchen durch die 5cm große Inspektionsöffnung saubergewischt. Klingt seltsam, ist es auch, funktioniert aber. Nach einigen Stunden ist es getan und die Maschine läuft wieder. Kostet 350 Euro, cash, schwarz, steuerschonend.
Ansonsten ist französisch-St. Martin gar nicht so französisch wie etwa Martinique oder Guadeloupe. Die Leute sprechen hier öfter Englisch als Französisch, die gängige Währung ist der US-Dollar. Alles ist hier sehr viel amerikanischer, die Autos, die Geschäfte, der Supermarkt. Der ist allerdings pipifein sortiert und angenehm sauber.
In der riesigen Lagune der Insel treffen wir Sabine und Michi von der „Windward Star“, die wir schon aus Grenada kennen. Abends fahren wir zusammen mit dem Bus nach Grand Case zum wöchentlichen Straßenmarkt mit anschließendem Rippchenessen im dafür bekannten Lokal. Die Rippchen werden ihrem guten Ruf absolut gerecht. Zum Schluß gibt’s noch einen Absacker an einer Strandbar direkt am Wasser. Ein sehr gelungener Abend, der allerdings, wie es in der Karibik halt immer sein muss, drei Mal von Regenschauern unterbrochen wird.
Ansonsten treffen wir hier noch Wolfgang von der „Lili“, und hören am Funk ständig Bootsnamen, von denen uns die meisten bekannt sind. Es fahren halt doch alle die gleiche Route ab.
Ein Ausflug geht per Bus nach Philipsburg auf der holländischen Seite. Dort ist alles noch amerikanischer, noch mehr Fetzen- und Schmuckläden, noch mehr fette, burgermampfende Kreuzfahrttouristen. Ansonsten hat die Stadt auch nicht mehr zu bieten als Marigot. Sie ist ein klein wenig sauberer vielleicht, für die Touristen, zumindest in den Bereichen wo die hinkommen.
Weil es immer am gleichen Platz öde wird, wollen wir uns in die Grand Case, 3 Meilen entfernt verlegen. Während es in Marigot hinterm Berg fast windstill ist, bläst es in Grand Case jedoch aus der Flughafenschneise mit ungemütlichen 24 Knoten heraus. Wir drehen sofort um und fahren zurück nach Marigot.
Später wechseln wir für ein paar Tage zur Nachbarinsel Tintamare. Die kleine Insel ist Naturschutzgebiet und unbewohnt, bis auf ein paar Ziegen und Vögel. Der Rest eines Flugfeldes aus dem 2.Weltkrieg ist da, ein paar rostige Flugzeugmotorreste liegen herum. Ansonsten ist da noch ein schöner Sandstrand, der tagsüber von vielen lauten Motorbooten besucht wird, über Nacht bleiben nur mehr ein paar Segelboote da, es ist sehr dunkel und angenehm ruhig.

5.14. Gäste an Bord

Die letzten 20 Meilen von Les Saintes nach Guadeloupe erweisen sich wieder einmal als Traum karibischen Segelns: Die Vorhersage meldet 13 Knoten wind aus Ost. Ost passt, aber die 13 Knoten sind in Echt 22-25, und die kurze steile Welle ist 2m hoch. Es scheppert und tuscht immerfort und jede 5. Welle steigt mit 10 Litern Salzwasser ins Cockpit ein. Der Bug ist bei jeder Welle unter Wasser. Toll. Mag ich aber nicht so.
Hier in Guadeloupe wollen wir Mitte Februar meine Tochter Anna und ihren Freund Christoph aufnehmen, die uns zwei Wochen lang bis zurück nach Martinique begleiten werden.
Wir ankern vorerst im Schutz der Ile du Gosier an der Südküste. Wir wollen noch nicht ins gammelige Wasser von Point a Pitre reinfahren. Der Wind pfeift hier zwar nach wie vor ständig mit über 20 Knoten am Ankerplatz, aber die Wellen werden von der Insel und dem anschließenden Riff ganz gut abgeblockt, man liegt einigermaßen ruhig.
Der Dauersturm mit über 20 Knoten Wind hält mehr als eine ganze Woche an. Baden: unmöglich. Mit dem Beiboot irgendwohin fahren: unmöglich. Wieder einmal eine richtig typische karibische Traumwoche. Nach einer Woche Ausharren im Sturm segeln wir angenehm(!) bei 22 Knoten Rückenwind in die Stadtbucht von Pointe a Pitre hinein. Dort ist bekanntermaßen beschissener Ankergrund, bei 8 Ankerversuchen flutscht der Anker über den Schlammgrund hinweg, mit absolut Null Halt, die Kette spannt sich nicht einmal leicht an. Beim 9. Versuch glauben wir, dass er ein bisschen halten könnte, wir ziehen einfach beim Einfahren nicht so fest an, und schmeißen alles was geht an Kette raus.
Als unsere Gäste eintreffen ist schlagartig schönstes Wetter mit Leichtwind. Die halten natürlich alles für maßlos übertrieben, wenn ich von den vergangenen Wochen mit Dauerstarkwind erzähle. Die Beiden bringen natürlich jede Menge Dinge für uns von zuhause mit. Aber auch nützliche Urlaubsutensilien für sich selbst, wie etwa ein riesiges aufblasbares Einhorn mit goldenem Horn und Regenbogenschwanz, das in unserer Ankernachbarschaft dann doch einiges Aufsehen erregt.
Am ersten Tag fahren wir mit ihnen nach Gosier zur kleinen Badeinsel hinterm Riff und bleiben dort einmal über Nacht. Dann folgt ein angenehmer Segelschlag nach Les Saintes bei 12 Knoten Halbwind und nur wenig Welle. In Les Saintes bleiben wir 2 Tage an einer Boje in der Stadt, um uns dort alles anzuschauen, inklusive dem Fort mit toller Aussicht und einer Inselrundwanderung. Leider liegt man dort recht schwellig und wir wechseln in unsere Lieblingsbucht Anse sous Vent auf der unbewohnten Insel Cabrit. Anna und Christoph sind begeistert von der Umgebung, Palmen, Stränden, Iguanas und den Schnorchelmöglichkeiten. Nach 3 Tagen segeln wir, wiederum bei besten Bedingungen, nach Dominica, wollen für 5 Tage bleiben. Einen Tag sind wir mit einem Mietauto unterwegs, umrunden die Nordhälfte der Insel, finden Wasserfälle zum Baden, Palmenstrand und Urwald. Leider findet uns auch der Regen mehrmals an diesem Tag. Zurück in der Prince Rupert Bay stellen wir fest, dass es den ganzen Tag heftig aus West geblasen hat. Am Strand mit dem Dinghisteg brechen eineinhalb Meter hohe Wellen. Die Beiboote sind alle an den Strand geborgen worden, am Steg hätte es wohl einige zerstört. Nur zögerlich wagen wenige die Rückfahrt zu ihren ankernden Booten. Das Einsteigen und Losfahren bei solcher Brandung ist aber auch wirklich schon gefährlich. Wir warten mehrere Stunden bis zur Dunkelheit. Es wird aber nicht besser und so wagen wir die Beibootfahrt – ziemlich abenteuerlich und nicht ganz trocken. Die Yachten rollen wie wild in der normalerweise ruhigen Bucht. Schlafen werden wir in dieser Nacht nur sehr wenig. Wenigstens ein kleiner Vorgeschmack für die Gäste, dass es nicht immer so gemütlich abgehen muss, wie in den letzten Tagen. Habe wieder ein bisschen von meiner Glaubwürdigkeit zurückgewonnen.
Die Überfahrt nach Martinique muss bei sehr wenig Wind großteils mit Maschine erfolgen. Da wir dort auch ein paar Tage verplant haben, können wir nicht auf günstigeres Segelwetter warten. Wenigstens ist es völlig ruhig – bis aufs Gebrumme vom Motor. Dort liegen wir vor St.Pierre wieder mit Westwind und unangenehmem Schwell. Einige Tage zuvor ist dort eine kleinere Segelyacht gestrandet und liegt halb unter Wasser. Die Hebeaktion mit riesigen Luftkissen dauert fast einen ganzen Tag, ist aber letztendlich erfolgreich. In St.Pierre besuchen wir die Rumbrennerei Depaz und den Zoo. Der Canal de Beauregard kann leider nicht bewandert werden. Er ist beim letzten Hurrikandurchzug wohl beschädigt worden und noch nicht wieder eröffnet. Drei Tage verbringen wir dann in der Badebucht Anse Noire und schnorcheln mit bunten Fischen und Schildkröten. Hier sind wir weit genug entfernt vom Faschingswahnsinn der Hauptstadt, den wir im Vorjahr zur Genüge genießen durften. Es gibt nur den üblichen Ankerspaß der Tagesausflügler-Motorboote. Zwei der Highlights: Ein hochmotorisierter Schlauchbootpilot möchte unbedingt an unserer Ankerboje festmachen und reagiert mit völliger Verständnislosigkeit, als ich ihn mit meiner freundlichen Art bitte, dies zu unterlassen. Und ein anderer hat längsseits an einem zweiten Boot angelegt und den Heckanker geworfen. Beim Losfahren vergisst er auf seinen Anker, schleppt ihn einfach hinten nach und merkt es gar nicht. Motorpower besiegt Ankerhaltekraft. Beeindruckend.
Dann beginnt wieder der übliche karibische Starkwind mit mindestens 10x Regen pro Tag, am letzten Tag für unsere Besucher in Fort de France bläst es mit 28 Knoten, Spitzen mit 35. So lernen sie auch das normale Wetter hier kennen und sind froh, ein paar angenehme Badetage erwischt zu haben.